Wie man das Recht für Massentourismus zurechtbiegen kann

(c) EPA (Vassil Donev)
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Korruption: Bulgarische Umweltschützer kämpfen gegen die Baumafia und deren Schutzherren in der Politik.

Sofia/Bansko. Früher war Bansko ein kleines Dorf mit jahrhundertealter Steinhausarchitektur am Fuß des Pirin-Gebirges. Heute ist es eine gigantische Baustelle mit Hotelkomplexen, Apartmenthäusern und den längsten Skipisten im Land. Was die meisten Urlauber nicht wissen: Yulen, der Konzessionär der Skianlage, hat beim Bau gegen zahlreiche Gesetze verstoßen. Der Firmenname Yulen ist mittlerweile zum Inbegriff von Gesetzlosigkeit, Korruption und Naturzerstörung geworden. Die Pisten sind mehr als doppelt so breit wie vertraglich erlaubt, ein Teil liegt zudem im Unesco-geschützten Nationalpark Pirin. Unzählige uralte Bäume hat Yulen dafür gefällt - in einem Gebiet, das zu den artenreichsten Naturflächen Bulgariens gehört. Umweltschützer protestierten - und haben zumindest einen Erfolg erzielt: Die Regierung hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie zeigt, dass Yulen fast doppelt so viel Grund nutzt, wie im Vertrag vereinbart. Ivan Obrejkow, Manager von Yulen, schenkt den Ergebnissen keinen Glauben: „Eine unabhängige Institution soll diese Untersuchungen wiederholen."

„Es geht um Geldwäsche"

Nicht nur die Reaktion der Firma, auch neue Pläne der Regierung versetzen die Naturschützer gerade wieder in Alarmbereitschaft: Denn statt Yulen konsequenterweise wegen Vertragsbruchs zu kündigen, will die Regierung die illegal errichteten Skianlagen nachträglich legalisieren. Yulen soll weiter als Betreiber fungieren, andernfalls fürchtet Umweltministerin Nona Karadzhowa eine Schließung des Skiorts und damit schwere Einbußen für den Tourismus.


„Das ist absurd!", ärgert sich Vera Petkantschin: „Mit den richtigen Verbindungen und viel Geld kann man in Bulgarien offenbar alles erreichen." Bereits 2007 hat sie die Initiative „Bürger für Rila" gegründet. Damals sollte ein Lift zu einem idyllischen Bergseegebiet im Rila-Gebirge gebaut werden - ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, teils in geschütztem Gebiet. Die Kampagne mobilisierte tausende, vor allem junge Menschen. Auch zugunsten anderer bedrohter Orte entstanden Aktionsbündnisse.
Naturschutz heißt in Bulgarien, sich mit den Mächtigen anzulegen und gegen Korruption und Vetternwirtschaft anzugehen. Dieser Meinung ist auch Petko Tzwetkow, Chef der NGO „Bulgarian Biodiversity Foundation". „Diese Bauprojekte haben nichts mit Tourismus zu tun", sagt er. „Es geht in erster Linie um Geldwäsche und um das Baubusiness." Die meisten Investoren hätten ihre Firmen an Offshore-Finanzplätzen angemeldet, um unerkannt zu bleiben. Eine Beteiligung von Regierungsmitgliedern schließt der Aktivist nicht aus. „Wir haben keine Beweise. Aber wir sehen, dass es keinen politischen Willen gibt, Firmen zu stoppen, die Gesetze verletzen. Einige Firmen werden immer wieder von Politikern geschützt."
Schutzlos sind hingegen oft diejenigen, die für die Einhaltung des Rechts eintreten. Umweltorganisationen erhalten Drohungen, Aktivisten wurden auch schon zusammengeschlagen. Die Polizei beginnt in den meisten Fällen gar nicht erst mit den Ermittlungen.

Letzte Hoffnung EU

Nun setzen die Aktivisten ihre Hoffnung in die EU - und haben die dänische Grünen-Abgeordnete Margrete Auken eingeladen. Sie steht von Nebel umhüllt auf einer Wiese in den Rhodopen, einem riesigen Gebirge in Südbulgarien. Alexander Dountschew vom Nationalpark Vitoscha erklärt, was sie bei Schönwetter zu Gesicht bekäme. Nicht nur die tannenbewaldete Hügellandschaft des Gebirges, in dem Braunbären und Wölfe zu Hause sind. Zu sehen wäre auch ein Restaurantkomplex auf dem höchsten Rhodopengipfel Perelik. Hier soll der neue Skiort „Super Perelik" entstehen - wieder ohne erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung und zu großen Teilen auf geschütztem Gebiet. Die örtlichen Behörden gaben grünes Licht, der Investor Kiril Asenow ist ein Verwandter der Vize-Umweltministerin.


Dountschew übergibt der Abgeordneten einen großen Karton mit Unterschriften - eine Petition an die EU-Kommission. Doch viel Hoffnung kann Auken nicht machen: „Die europäischen Institutionen können nur aktiv werden, wenn europäisches Recht verletzt wird." Dass jedoch bulgarische Institutionen das Projekt stoppen könnten, daran glaubt Dountschew nicht: „Hier gibt es keine Strafe, für keinen dieser Kriminellen."


Diese Erfahrung hat auch Vera Petkantschin gemacht. Der Lift zu den Seen im Rila-Gebirge ist mittlerweile gebaut, der Investor hat bereits einige Gebäude errichtet, obwohl die Umweltschützer die Pläne für den Bau eines Skiresorts stoppen konnten. „Die zuständigen Institutionen haben sogar zugegeben, dass die Gebäude illegal sind", sagt Vera. Geändert hat das nichts. Vera zuckt mit den Schultern. Sie fordert nicht viel von ihrem Staat. Nur, dass die Gesetze eingehalten werden. Von allen. „Sonst würde das doch bedeuten, dass Bulgarien kein Rechtsstaat ist."

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