Wer auf Rom wartet, der hat schon verloren

Österreichs Bischöfe, die derzeit gemeinsam tagen, müssen handeln. Zu groß ist die Distanz zum Kirchenvolk. Ein Aufruf zum Gehorsam – gegenüber dem Evangelium.

Jetzt also auch noch eine Umfrage Paul Michael Zulehners. Die hat den österreichischen Bischöfen gerade nicht gefehlt. Bis Donnerstag sind die Herren – mehrheitlich knapp vor oder deutlich nach dem gesetzlichen Pensionsalter – in Salzburg bei ihrer Herbsttagung versammelt. Es kann wohl nur dummer Zufall sein, dass die Abteilung Religion des ORF-Fernsehens ausgerechnet jetzt die bischöfliche Beschaulichkeit mit einem Beitrag über eine Studie zur Akzeptanz des „Aufrufs zum Ungehorsam“ sendet. Sage niemand mehr, das Staatsfernsehen beschränke sich in seiner Berichterstattung auf das Nachbeten von Pressekonferenzen.

Was die Bischöfe da über ihre leitenden Angestellten erfahren, werden sie wenig erbaulich finden. Zwei Drittel „ihrer“ Pfarrer sehen den Aufruf von Helmut Schüller und seinen Mitstreitern, in dem selbst ernannte Rom-Treue den Tatbestand der Häresie verwirklicht sehen, mit mehr oder weniger großer Sympathie. Eine knappe Mehrheit der Pfarrer outet sich sogar als Frauenversteher. 55Prozent teilen die Aussage, Frauen zu kirchlichen Ämtern zuzulassen, stehe im Einklang mit dem Evangelium. Dass damit eher nicht das Amt der Pfarrersköchin oder -putzfrau gemeint ist, dürfen wir dem Pastoraltheologen Zulehner gefahrlos unterstellen. Dass sie wissen, damit Rom in einer besonders heiklen Materie zu konterkarieren, damit einem Diskussionsverbot hinsichtlich Frauenweihe zuwiderzuhandeln, das darf wiederum den Pfarrern unterstellt werden.

Noch einmal: Die, die derartige Auffassungen (anonym) in einer Umfrage von sich geben, sind nicht irgendwelche irregeleitete katholische Hausfrauen (dafür wäre wohl auch die Grundgesamtheit zu klein) oder in Wohngemeinschaften lebende hedonistische Theologiestudenten. Es sind jene, die die Kirche und deren Religionsstifter in besonderer Weise „vor Ort“ repräsentieren. Es sind die Pfarrer, die sich – von Kirchenrecht und Anspruchsdenken ihrer Schäfchen – genötigt sehen, sonntags von Kirche zu Kirche, von Messfeier zu Messfeier zu hetzen. Es sind die Pfarrer, die mit den Leiden und Freuden der Katholiken tagtäglich sehr direkt konfrontiert sind. Es sind die Pfarrer, die Geschiedenen klarmachen müssten, dass sie zwar den Gott der Barmherzigkeit predigen, ihnen aber im Falle einer weiteren staatlichen Eheschließung nie und nimmer bis ans Lebensende die Kommunion spenden dürften. Müssten, dürften: wenn es allein nach dem Willen Roms ginge. Tut es aber nicht.

Denn noch zu Kardinal Franz Königs Zeiten haben die Bischöfe in einem Hirtenbrief einen österreichischen Weg eingeschlagen. Nach einem Gespräch mit einem Seelsorger dürfen auch erneut Verheiratete zu den Sakramenten. Bis heute hat kein Bischof von Rom seine Mitbrüder zurück-, auf den „wahren“ Weg gedrängt. Bemerkenswert. Das beweist zweierlei: Bischof zu sein und der Hang zur Ängstlichkeit sind nicht völlig untrennbar miteinander verbunden. Und es gibt auch abseits des breiten römischen Weges Möglichkeiten, ein wenig abseits, auf einem noch nicht so ausgetretenen Weg in dieselbe Richtung zu pilgern.

Was das nun für die aktuelle Situation bedeutet? Die österreichischen Bischöfe sind mehr als gut beraten, die schon so oft geäußerten Wünsche der Katholiken dieses Landes – ob von Laien oder Priestern, ist zweitrangig – ernst zu nehmen. Sie müssten endlich versuchen, sich aus der Rolle der Getriebenen und Zerriebenen zu befreien. Ein fundierter, strukturierter Dialog zu den noch immer heißen Eisen ist fällig. Richtig, das hatten wir alles schon. Nur müsste diesmal am Ende die Verpflichtung stehen, behutsam, ohne die Einheit national und mit der Weltkirche zu gefährden, das eine oder andere Eisen auch zu schmieden. Also Dinge zu tun, zu denen man sich verpflichtet sieht. Verpflichtet aus Gehorsam, aus Gehorsam gegenüber dem Evangelium.

Wer fortwährend Richtung Rom starrt, wer sich ausschließlich danach richtet, was der Papa nun erlaubt oder verbietet, kann den Heutigen den Glauben kaum vermitteln. Wer bei Reformen auf Rom wartet, der hat schon verloren.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2011)

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