AKH-Vergabe: Beauftragte Wien sich selbst?

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Symbolbild AKH(c) FABRY Clemens
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Ermittler vermuten eine versteckte Beteiligung des Rathauses an der Firma AGO, die in einem fragwürdigen Verfahren den Zuschlag für ein 50-Mio.-Euro-Geschäft erhielt. Die AGO-Chefs und der Magistrat dementieren.

[Wien] Warum erhielt der Personaldienstleister AGO im Wiener AKH den Zuschlag für einen 50 Mio. Euro schweren Auftrag? Weil wir Bestbieter waren, sagt AGO. Jedoch: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft will das nicht glauben, vermutet ein unsauberes Vergabeverfahren und ermittelt wegen Amtsmissbrauchs und der Beteiligung daran. Seit Kurzem nicht nur gegen vier Beamte und einen AGO-Gesellschafter, sondern – vereinfacht gesagt – auch gegen die Stadt Wien.

Der Verdacht, der aus dem der „Presse“ vorliegenden Akt hervorgeht, ist schwer. Der Staatsanwalt und das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK) untersuchen eine mögliche Beteiligung des Rathauses an AGO. Eine stille Beteiligung. Diese, und der damit zwangsläufig verbundene Geldkreislauf, könnten für die Fahnder das lange gesuchte Motiv für den in jedem Fall merk- und fragwürdigen Deal sein, denn: Anfänglich vermutete Schmiergeldzahlungen an Beamte wurden bis heute nicht nachgewiesen. Gäbe es die stille Beteiligung, gälte es zu klären: Wer schnitt bei dem Geschäft noch mit?

Für die Ermittler scheint denkbar, dass die Gesellschafter ihre AGO-Anteile nur treuhändisch für den wahren Eigentümer halten. Als solcher kommt auch die Stadt Wien infrage. So steht es in den Zeugen- und Beschuldigten-Einvernahmen. Die Ermittler fragten sogar gezielt danach, etwa den gegenwärtigen Geschäftsführer und Gesellschafter G., wie auch den mitbeschuldigten Gesellschafter und Exfirmenchef L. Beide wollen von der vermuteten Eigentümerkonstruktion nichts wissen. Allein: Man scheint ihnen nicht zu glauben. Hintergrund hierfür dürfte der Inhalt von abgehörten Telefonaten zwischen den AGO-Chefs und den AKH-Beamten sein. Zur Geheimhaltung der Gespräche wurden eigens Wertkarten-Handys angeschafft. Erfolglos.

Suche nach Schwarzgeldkonto

Der Verdacht ist derart stark, dass der verantwortliche BAK-Beamte vor Kurzem beim Staatsanwalt anregte, er möge doch bei Gericht die Öffnung zweier AGO-Konten (Bank Austria) beantragen. Begründung: „Die daraus resultierenden Erkenntnisse könnten für die weiteren Ermittlungen hinsichtlich einer möglichen verdeckten Eigentümerstruktur und möglicher Geldflüsse unter Umgehung der Finanzbehörden, sowie eventueller Geldflüsse zu Verantwortlichen des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien von Bedeutung sein.“ Ob die Kontenöffnung inzwischen erfolgte? „Laufende Ermittlungen kommentieren wir nicht“, so ein Behördensprecher.

Wie die AGO-Chefs weist auch das Rathaus den Verdacht zurück. Sowohl die MA 5 (Finanzen), als auch die ausgegliederten Stadtwerke und die Wien Holding schließen Beteiligungen an und Haftungen für die Firma AGO aus.

Staatsanwaltschaft und BAK untersuchen noch ein weiteres Detail. Die zu beantwortende Frage lautet: Führte die Firma eine Schwarzgeldkassa, mit der ein im Zusammenhang mit den Ermittlungen suspendierter AKH-Beamter angestellt werden sollte? Die Ermittler stellten im Akt jedenfalls „massive Hinweise“ dafür fest. Der beschuldigte AGO-Gesellschafter L. hingegen spricht wortwörtlich von einer „Trinkgeldkassa“, von der niemand so genau wisse, wie viel eigentlich drin sei. Nur soviel: Es wäre jedenfalls zu wenig, um einen ehemaligen Spitzenbeamten zu bezahlen.

Den Kern des Vorwurfs bestreitet er nicht. Als die Affäre im Juli 2010 durch einen „Presse“-Bericht aufflog, und der Beamte H. vom Dienst freigestellt wurde, habe man intern überlegt, was man für ihn tun könne. „Aus sozialem Empfinden“, so AGO-Miteigentümer L. im Verhör. „Wir sind Personalbereitsteller. Unser Job ist ja sowieso Jobs zu vermitteln.“ Zur „Anstellung“ H.'s kam es nie.

Beschwerde über Staatsanwältin

Wien und dem Krankenanstaltenverbund (KAV) sind die Ermittlungen äußerst unangenehm. Anders ist jener Brief nicht zu erklären, den KAV-General Wilhelm Marhold an die Leiterin der Wiener Staatsanwaltschaft, Marie-Luise Nittel, schrieb. Darin beschwert sich Marhold über eine junge Staatsanwältin, die im Rahmen einer Anti-Korruptionstagung von der „Presse“ veröffentlichte Vorgänge rund um die AGO-Vergabe (Pokerabende und Champagnerpartys von AGO-Mitarbeitern mit AKH-Beamten) als Negativbeispiele für transparente Vergaben zitierte. Marhold an Nittel: „Ich darf Sie ersuchen, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass öffentliche Äußerungen im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen gegen Mitarbeiter des AKH Wien mit jener Sensibilität erfolgen, die den Anschein einer Vorverurteilung erst gar nicht aufkommen lassen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2011)

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