Die Ratingagentur geht um

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Experten der Agentur Moody's zeigen sich bei ihrer aktuellen Prüfung der Kreditwürdigkeit Österreichs besorgt: Die Banken, Gemeinden und die Länder könnten die Bonitäts-Bestnote gefährden.

Wien. Die Herren und die Dame sollen ausgesprochen nette Gesprächspartner sein. Bestimmt in der Sache, aber insgesamt zuvorkommend und freundlich. Das Ergebnis ihrer Gespräche, die sie seit Mittwoch in Wien führen, könnte weniger nett sein: Die Mitarbeiter der Ratingagentur Moody's haben bei ihrer Prüfung Österreichs mehrere Finanz- und Budgetbereiche äußerst kritisch hinterfragt. Das könnte sich am Ende in ihrem Zeugnis über die Kreditwürdigkeit niederschlagen – nämlich mit einem negativen Ausblick auf die Entwicklung der AAA-Note.

Die Prüfer haben bisher unter anderem Gespräche mit Experten des Finanzministeriums, der Notenbank, der Wirtschaftsforschungsinstitute IHS und Wifo sowie mit mehreren Banken geführt. Insgesamt seien die Treffen in einer positiven Stimmung verlaufen, man habe einen „guten Eindruck“, heißt es.

Nur zu zwei Bereichen hätten die Prüfer der amerikanischen Ratingagentur hartnäckige Fragen gestellt und damit Sorgen gezeigt: einerseits zum Bankensektor und andererseits zur Budgetsanierung und hier vor allem zur Finanzgebarung der Länder und Gemeinden.

Der Bankensektor ist wegen des großen Engagements österreichischer Kreditinstitute in Zentral- und Osteuropa ein bekanntes Sorgenkind. Kommen die Institute ins Wanken und müssen vom Staat gerettet werden, hat das direkte Auswirkungen einerseits auf die öffentlichen Finanzen, andererseits auf das Wachstum.

Sorge um strukturelles Defizit

Bei den Staatsfinanzen wird von der Ratingagentur vor allem das hohe strukturelle Defizit kritisch beäugt. Damit sind jene Schulden gemeint, die selbst bei hervorragender Konjunktur anfallen. Großes Interesse zeigten die Kontrollore deshalb an der angekündigten Schuldenbremse, die grundsätzlich sehr positiv bewertet wird. Nicht restlos überzeugt sind die Schiedsrichter von Moody's aber davon, dass es Österreich mit der Eindämmung der Schulden auch ernst ist.

Gezweifelt wird dem Vernehmen nach an der Nachhaltigkeit der Schuldenbremse. Die Regierungsparteien haben noch keinen verbindlichen Weg gefunden, wie sie die Staatsverschuldung zu drücken gedenken. Vielmehr scheint sich zwischen den Koalitionspartnern ein politischer Streit anzubahnen, ob das Ziel vorwiegend über Einsparungen oder über höhere Steuern zu erreichen ist.

Schon bei der Realisierung des Vorhabens gibt es jetzt erste Probleme: Innerhalb der SPÖ wandten sich ÖGB, AK und die oberösterreichische Landespartei gegen eine Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung. Auch Gespräche mit der Opposition (die Regierung benötigt für eine Verfassungsmehrheit die Zustimmung einer der drei Parteien) verliefen am Freitag ergebnislos. VP-Klubchef Karlheinz Kopf appellierte an FPÖ, Grüne und BZÖ, mit der Regierung zu stimmen: Österreich stehe mit seinem Triple-A-Rating nämlich „unter kritischer Beobachtung“.

Die gibt es von den Kontrolloren etwa in Bezug auf die finanzielle Situation in den Ländern und Gemeinden. Für Verstörung sorgt vor allem der Umstand, dass es keine offiziellen Zahlen über die Höhe der Verbindlichkeiten und Haftungen gibt. Zudem ist Moody's nicht verborgen geblieben, dass Kommunen von Ländern aufgefordert wurden, ihre Verbindlichkeiten „auszugliedern“, um sie so zu verschleiern.

Leistungsbilanz als Plus

Positiv für Österreich wirkt der noch immer vorhandene Überschuss in der Leistungsbilanz, der zeigt, dass Österreichs Volkswirtschaft mehr produziert als verbraucht. Daran lässt sich nämlich ablesen, dass die österreichische Wirtschaft noch immer wettbewerbsfähig ist. Hinzu kommt eine breit gefächerte Struktur der heimischen Industrie, die das Land weniger anfällig für externe Schocks macht.

Höchst unwahrscheinlich ist, dass Österreich sein Triple-A sofort verlieren wird. Das schon deshalb, weil das letzte Rating überaus positiv ausgefallen ist. Und diese Bewertung stammt aus dem Sommer 2011. Allerdings glauben Finanzexperten, dass in der für Dezember erwarteten Beurteilung der Ausblick auf „negativ“ zurückgesetzt und die Regierung ermahnt wird, ihre Sanierungsbestrebungen mit dem nötigen Ernst und Tempo voranzutreiben.

Auf den Märkten hat Österreich die beste Bonität bereits verloren: Seit vergangener Woche wurden heimische Staatsanleihen im großen Stil abgestoßen, die Republik Österreich muss für neue Schulden doppelt so hohe Zinsen bezahlen wie Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2011)

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