Bahn: Alles neu in Richtung Westen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit 11. Dezember fährt die Westbahn zwischen Wien und Salzburg. Die Mitarbeiter lächeln mit jenen der ÖBB um die Wette. Umsteigen wird zum Problem.

Wien. Der Westbahn-Schaffner gibt dem Reisenden den Fahrschein des Konkurrenzunternehmens ÖBB nach kurzem Zögern wieder zurück. „Das ist jetzt leider nicht das richtige Ticket“, sagt er und lächelt freundlich. „Aber sie können heute trotzdem weiterfahren.“ Der Angesprochene schaut peinlich berührt und nickt. Er wird nicht der Einzige bleiben, dem es heute so geht. Aber Gott sei Dank ist ja kein Tag wie jeder andere.

Gestern, Sonntag, um neun Uhr vormittags: Auf dem Wiener Westbahnhof tummeln sich auffallend viele Fotografen. Alle paar Minuten posiert jemand vor der Kamera, aber es sind nicht die Gesichter, die interessieren, sondern das, was dahinter zu sehen ist: ein neuer Zug in den Farben Weiß, Blau und Grün. Genauer gesagt: die Westbahn, im Besitz von Ex-ÖBBler Stefan Wehinger, Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner, Schweizer Investoren und die französische Staatsbahn SNCF. Seit gestern fährt sie täglich elfmal in jeder Richtung auf der Strecke zwischen Wien und Salzburg und macht damit den ÖBB Konkurrenz. Die Verbindung von Wien in den Westen ist die profitabelste Zugstrecke in ganz in Österreich. Schwarze Zahlen und eine 40-prozentige Auslastung erwartet sich auch Westbahn-Chef Stefan Wehinger 2012. Allerdings läuft hinter den Kulissen ein Kampf um billige ÖBB-Tickets und für gemeinsame Fahrpläne.

Auch am ersten Fahrtag ist die Spannung zwischen den Rivalen zu bemerken. Überschwänglich begrüßen die Westbahn-Mitarbeiter die Reisenden auf dem Bahnsteig und beantworten freundlich Fragen. Zeitgleich tummeln sich junge ÖBB-Promotion-Mitarbeiter neben den Kassaautomaten (die nur für die ÖBB, nicht aber für die Westbahn Tickets ausstellen) und teilen Zettelchen aus, die die Vorteile der ÖBB anpreisen.

Das Angebot ist jedenfalls besser geworden. Innerhalb einer Dreiviertelstunde haben potenzielle Fahrgäste drei Alternativen für die Strecke Wien–Salzburg: zweimal mit den ÖBB und einmal mit der Westbahn. Die Züge beider Anbieter sind am Vormittag mittelstark gefüllt. Dass bei den ÖBB etwa mehr Leute einsteigen, ist wohl kein Zeichen für eine höhere Akzeptanz des bisherigen Monopolisten. „Ich habe nicht mal gewusst, dass die Westbahn schon fährt“, sagt ein Mädchen, bevor sie in den ÖBB-Zug einsteigt. Ein Mann hat sein ÖBB-Ticket schon vorher gekauft. Ausprobieren wollen die neue Bahn in Zukunft aber beide.

Keine Westbahn-Züge im „Scotty“

Die Westbahn hat doppelstöckige Wagons, es gibt auffallend gut frequentierte Raucherinseln und am Ende ein Boardrestaurant. Auffallend sind die vielen Stufen, die es von Abteil zu Abteil zu bewältigen gibt – wie soll das mit vielen Koffer funktionieren? Zudem ist in den Gepäcksfächern über den Sitzen kaum Platz für eine Jacke. „Das könnte bei einem vollen Zug ein Problem werden“, sagt Gerhard W. zu seiner Freundin Sabine H. Die neue Bahn gefällt den beiden trotzdem, schon wegen der günstigeren Preise. Dass es keine Mistkübel gibt, stört allerdings: „Kommt da jetzt immer der Schaffner und bringt alles weg?“

Dem Herren, der die falsche Zugkarte gekauft hat, ist das egal. Er ist schon viel zu lange mit den ÖBB unzufrieden. „Zu teuer, schlechte Verbindungen“, sagt er knapp. Das Missgeschick mit der Karte könnte auch andere treffen. Denn im Moment sieht es nicht so aus, als könnten sich ÖBB und Westbahn darauf einigen, Tickets gegenseitig abzurechnen – selbst wenn Wehinger sich das so vorstellt.

Auch im ÖBB-Online-Fahrplan Scotty schienen die Züge der Westbahn gestern bis zu Redaktionsschluss nicht auf – trotz richterlichen Bescheids. Wehinger kündigte im Gespräch mit der „Presse“ an, weitere rechtliche Schritte diesbezüglich unternommen zu haben.
Wie zum Beweis gibt es kurz danach die Feuerprobe in Linz. Zwölf Minuten bleiben zum Umsteigen in einen Anschlusszug der ÖBB. Vorsicht: Das Ticket für die ÖBB muss extra gekauft werden. Rein in die Bahnhalle, Ticket kaufen und wieder auf den Bahnsteig – geschafft. Der Schaffner kommt. Nur so zum Test: „Ich bin heute mit der Westbahn gefahren und habe vergessen, ein Ticket zu kaufen. Ist das ein Problem?“ Hier schon. Denn das sei Schwarzfahren, lautet die Antwort – und koste 65 Euro, auch an einem Tag wie heute.

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