Bauernopfer des Präsidenten

Wenn jemand in der Affäre Wulff zurücktreten muss, dann nicht dessen Sprecher.

Endlich war sie da – die Entschuldigung, auf die alle so lange gewartet hatten. Der deutsche Bundespräsident bedauerte erstmals, dass sein Umgang mit der Kreditaffäre für „Irritationen“ gesorgt habe – dass sein Handeln nicht immer „geradlinig“ gewesen sei.

Ein Befreiungsschlag ist Wulff mit seinem denkbar kurzen Quasi-mea-Culpa aber nicht gelungen. Es kam viel zu spät. Und von Geradlinigkeit ist nach wie vor keine Spur.

Das einzige „Geradlinige“ in Berlin Bellevue war an diesem Tag der Rücktritt des Präsidentensprechers. Doch der ist das falsche Opfer. Die Verfehlungen des Chefs nicht ausreichend zu beschönigen, kann nicht schlimmer sein als die Verfehlungen selbst.

In Österreich würde die Affäre Wulff vermutlich nicht einmal unter Affäre fallen. In Deutschlands politischer Szene gelten aber – zumindest bisher – höhere moralische Maßstäbe. Wenn jemand in der Causa seinen Hut nehmen muss, dann ist es der Präsident und nicht sein Megafon.


wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Deutschland: Wulff versucht den Befreiungsschlag

Der Bundespräsident entließ überraschend seinen Pressesprecher, kündigte kurzfristig eine Ansprache an – und erklärte, dass ihm die Affäre um seinen Privatkredit leidtue.
Kredit-Affäre: Deutscher Präsident Wulff entschuldigt sich
Außenpolitik

Kredit-Affäre: Deutscher Präsident entschuldigt sich

Christian Wulff räumt in einer persönlichen Erklärung Fehler ein. Er will aber im Amt bleiben. Unterdessen werden neue Vorwürfe bekannt.
Außenpolitik

Wulffs Erklärung im Wortlaut

"Nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig", sagt der deutsche Bundespräsident in einer Erklärung zur Kredit-Affäre.
Außenpolitik

Bundespräsident wird zum Problemfall für deutsche Regierung

Christian Wulff wegen Kreditaffäre zusehends in Bedrängnis. Der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Noch sind Rücktrittsspekulationen in der Koalition tabu.
Kommentare

Politische Kurzsichtigkeit

Christian Wulffs Kampf mit privaten Verstrickungen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.