Der mächtige rote Mann ist zurück

Archivbild: Häupl (rechts) und Faymann beim Landesparteitag im vergangenen Mai.
Archivbild: Häupl (rechts) und Faymann beim Landesparteitag im vergangenen Mai.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bevor es mit dem Sparpaket ernst wird, tritt Michael Häupl in Aktion. Und Kanzler Faymann wird bei der Kritik an Akademiker- und Erbschaftssteuer genau hingehört haben.

Wien. Bereits am Dienstag ist es mit dem koalitionären Weihnachtsfrieden vorbei. SPÖ und ÖVP feilschen wieder um das Sparpaket. Einer wird quasi unsichtbar am Verhandlungstisch sitzen: Wiens mächtiger SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl. Er nutzte das Wochenende, um seinem Unmut über Pläne aus der eigenen Partei Ausdruck zu verleihen.

Es ist kein Zufall, dass Häupls Worte kurz vor der entscheidenden Phase der Budgetgespräche fallen. Denn länger hatte der mächtige Sozialdemokrat sich nicht zur Bundespolitik geäußert. Nun nützte er den richtigen Zeitpunkt, um via Boulevard öffentlichkeitswirksam scharfe Worte fallen zu lassen. „Eine Akademikersteuer ist überhaupt das Absurdeste, das ich je gehört habe“, befand Häupl in der Zeitung „Österreich“. Das, obwohl der von der Kärntner SPÖ ersonnene Plan, wonach Akademiker ab einem gewissen Einkommen eine Sondersteuer zahlen müssen, von Faymann durchwegs wohlwollend aufgenommen wurde.

Ein striktes Nein gab es von Häupl auch zur Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Diese war zwar nie ein Herzensanliegen Faymanns. Doch erst am vergangenen Samstag hatte Faymann im „Presse“-Interview betont, dass man diese Steuer wegen der Finanzkrise ins Auge fassen müsse. „Abgesegnet“ wurde von Häupl hingegen die Idee Faymanns, Umwidmungen steuerlich in die Pflicht zu nehmen. Auch eine Börsensteuer genießt das Wohlwollen des Bürgermeisters, der zwei Drittel des nötigen Finanzbedarfs (für das nächste Jahr sind das zwei Milliarden Euro) über Steuern finanzieren möchte.

Das Machtspiel zwischen dem Wiener Bürgermeister und dem SPÖ-Chef auf Bundesebene hat eine lange Tradition. Das rote Wien verstand sich immer schon als das Bollwerk der Sozialdemokratie. Wer wissen will, wie das Machtgefüge in der SPÖ realpolitisch verteilt ist, muss sich nur an den plötzlichen Schwenk der Partei in der Wehrpflichtfrage erinnern.

Wehrpflicht: Schwenk durch Häupl

Lange galt die Wehrpflicht als Credo der roten Reichshälfte. Kurz vor seiner Gemeinderatswahl im Oktober 2010 zog Häupl ebenfalls via Boulevard (damals war es die „Kronen Zeitung“) aus, um eine Volksbefragung zur Wehrpflicht zu fordern. Fortan entdeckte auch Faymann plötzlich seine Sympathien für ein Berufsheer, ausbaden musste den Richtungswechsel Verteidigungsminister Norbert Darabos.

Hatte er kurz zuvor noch erklärt, die Wehrpflicht sei in Stein gemeißelt, so versuchte Darabos nun sogar, einen auf Musterschüler zu machen und General Edmund Entacher abzusetzen, der den neuen Kurs nicht mittragen wollte. Der Absetzversuch misslang, die Glaubwürdigkeit des Ministers erlitt weitere Kratzer. Hingegen spricht niemand in der SPÖ darüber, dass Häupl trotz seines Wahlkampf-Clous eine Niederlage bei der Gemeinderatswahl einstecken musste. Auch das zeigt die Machtposition des Bürgermeisters.

Häupl mischt sich bewusst eher selten öffentlich in die Bundespolitik ein. Umso mehr Gewicht verleiht dies seinen Worten, wenn sie einmal fallen. Man kann also davon ausgehen, dass Häupls Worte auch diesmal ihre Wirkung nicht verfehlen. Ein bisschen freuen darf sich darüber die ÖVP, die ohnedies gegen die Erbschafts- und Schenkungssteuer ist. Dafür muss sich die ÖVP überlegen, wie sie die Wünsche des schwarzen Häupl-Pendants, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, erfüllen kann. Dieser hat eine Solidarabgabe von Spitzenverdienern gefordert. Und diese Idee bereitet der ÖVP noch einiges an Kopfzerbrechen (siehe Artikel unten).

Auf einen Blick

Die Regierung verhandelt ab heute wieder über das Sparpaket. Wiens SPÖ-Chef Häupl sprach sich am Wochenende gegen eine Akademiker- oder Schenkungssteuer aus. Für Kanzler Faymann waren diese Varianten hingegen bis dato sehr wohl eine Option.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2011)

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