Skispringen: Schlierenzauer – sein Talent ist ein Geschenk

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Auch ohne Grand Slam – Gregor Schlierenzauer ist der beste Weitenjäger der Gegenwart. Der 22-jährige Stubaier ist trotz seiner Erfolge auf dem Boden geblieben. Der Superstar der Schanzen wird erwachsen.

Auch ohne Grand Slam – Gregor Schlierenzauer ist der Skispringer der Gegenwart. Kein anderer verstand es so perfekt die Gespräche bei der 60. Vierschanzentournee zu bestimmen wie der Stubaier, der heute seinen 22. Geburtstag feiert. Das Aufsehen ist aber nicht nur dem sportlichen Höhenflug geschuldet, sondern Folge seiner persönlichen Verwandlung. Schlierenzauer lacht öfter denn je von Titelseiten und sieht sich vor dem Schanzenlift einer nach Autogrammen lechzenden Horde von Teenagern ausgeliefert. Der Tiroler ist nicht mehr nur ein Skispringer. Er ist längst ein Superstar. Nur der Postbote in Fulpmes dürfte nicht so begeistert sein. Hunderte Kilogramm an zusätzlicher Fanpost sind in den kommenden Tagen gewiss.

Insgesamt 78-mal stand er in seiner Karriere schon auf dem Weltcuppodest, 38 Weltcupsiege standen zum Tourneefinale in Bischofshofen zu Buche. Wandelt man die Siege in bare Münze um, hat der Tiroler „ausgesorgt“. Das Preisgeld allein beläuft sich auf knapp eine Million Euro. Dazu kommt auch noch der Sponsorvertrag mit dem Energydrink-Hersteller Red Bull. Um den jungen Mann aus Fulpmes, der von seinem Onkel Markus Prock, dem ehemaligen Rodler, gemanagt wird, muss sich keiner Sorgen machen.

Vielmehr muss Allzeitgröße Matti Nykänen, der Finne ist Rekordhalter mit 46 Weltcupsiegen, um seine Bestmarke zittern. Dass Schlierenzauer seine Spuren verwischen wird, ist nur eine Frage der Zeit. Schlierenzauer ist Weltmeister, gewann drei Olympiamedaillen, er ist Skiflugweltmeister, Gesamtweltcupsieger und das Aushängeschild der jungen Generation im Adlerhorst. Und ihm gehört auch die Zukunft auf dem Schanzentisch. Das gaben sogar die allerletzten Skeptiker während der Tournee zu Protokoll. Stützpunkttrainer Markus Maurberger formulierte es so: „Sein Talent ist ein Geschenk. Er hat schon so viel in seiner Karriere erreicht – und das war trotzdem erst der Anfang.“

Aber es hat einige Jahre gedauert, ehe Schlierenzauer gelernt hat, mit dem Erfolgsdruck und der Erwartungshaltung der Öffentlichkeit umzugehen. Leicht hatte er es seit seinem Einstieg in der Saison 2006 allerdings nicht: Als Sechzehnjähriger wurde er von seinem Entdecker und Mentor Toni Innauer aus der sicheren Umgebung des Skiklubs Innsbruck-Bergisel gerissen, ins eiskalte Weltcup-Becken der Skisprungszene geworfen und als „Wunderkind“ angepriesen.

Das Skispringen hat schon viele „Wunderkinder“ hervorgebracht. Sie feierten zwar große Siege, verschwanden aber ebenso schnell wieder von der Bildfläche. Toni Nieminen etwa.

2006 wurde binnen weniger Tage auch Schlierenzauers Leben auf den Kopf gestellt und selbst die persönlichsten Inhalte, etwa die Taubheit auf dem linken Ohr, in Medien publiziert. Während der Boulevard in Deutschland keinerlei Grenzen kennt bei der Berichterstattung über seine Helden, hat es Schlierenzauer in Österreich jedoch leichter. Nicht nur, weil Medien etwas mehr Rücksicht nehmen, sondern auch der Skiverband und seine Familie tunlichst darauf achten, dass ihr Sprössling „nicht überfahren“ wird.

Ob er seinen Beruf ausübt, fotografiert, neue Werbe- oder Markenmodelle für seine „GS-Apparel Collection“ entwirft, Freundin Sandra der Öffentlichkeit präsentiert oder einfach durch Innsbruck spazieren will – Schlierenzauer muss jeden Schritt mit Bedacht setzen. Er absolviert diesen tückischen Parcours mit gleicher Akribie, mit der er seinen Sport lebt. Und viele Beobachter lernten bei dieser Tournee einen neuen Gregor Schlierenzauer kennen. Einen, der endgültig erwachsen geworden ist.

Schlierenzauer wirkt gelassener als früher, ist nahbar geworden. Er lacht und scherzt, wirkt nicht mehr introvertiert und abweisend. Er ist ein gut beratener Star geworden, der das Spiel mit der Öffentlichkeit gelernt hat – und sogar genießen kann.

Augenscheinlich sind es viele Facetten, die das Klischee ruhend stellen, das ihn als simplen Sportler abstempelt. In Erinnerung bleiben Eindrücke, die den Steinbock als extrem ehrgeizig zeigten. Momente, in denen er Wut und Zorn freien Lauf ließ, weil er verloren hatte. Es waren auch Augenblicke puren Glücks, als er nach Verletzungspausen in den Weltcup zurückkehrte und Kritiker eines Besseren belehrte. Oder Impressionen echter Freude, weil ihm der Arbeitstag bei der Vierschanzentournee einfach gefiel.

Ein Star muss nicht immer nett und freundlich sein, schon gar nicht zu Konkurrenten und Journalisten. Solange ihm der Telemark auch im Alltag so gut gelingt, wird Gregor Schlierenzauer die Erfolgsspur nicht mehr verlassen.

Zur Person

Gregor Schlierenzauer wurde am 7. Jänner 1990 in Hochrum, Tirol, geboren. Der 1,80 Meter große Skispringer wohnt in Fulpmes. Er springt für SV Innsbruck-Bergisel, seit 2006 ist er im Weltcup dabei. Er surft, pokert und kocht gern. Seine größte Leidenschaft ist die Fotografie.
Größte Erfolge: Olympia 2010 Gold im Teambewerb, Einzel-Bronze- Weltmeister 2011 in Oslo auf der Großschanze, dazu 4 x Team-Gold. Skiflug-Weltmeister 2008. 38 Weltcupsiege, Gesamtsieg 08/09. Skiflugrekord: 243,5 Meter.

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