Die Eurozone gefährdet die Weltwirtschaft

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Die Weltbank korrigiert ihre Konjunkturprognose scharf nach unten. Die Eurozone rutscht in die Rezession – und reißt im schlimmsten Fall den Rest der Welt mit.

Wien/Hie/Jil/Ag. Die Weltbank warnt vor einem globalen Finanzkollaps, der in der Eurozone seinen Ausgang nehmen könnte. Die Wirtschaftsaussichten hätten sich im vergangenen halben Jahr deutlich verschlechtert. Eine neue Krise könnte schlimmer ausfallen als der Kollaps, der durch das überraschende Ende der Investmentbank Lehman Brothers 2008 ausgelöst wurde. „Die Welt im Jänner 2012 erlebt jene Abwärtsszenarien, die vor sechs Monaten noch als Risken diskutiert wurden“, heißt es in dem Bericht.

Das internationale Institut hat deshalb seine Konjunkturaussichten deutlich nach unten korrigiert: Statt wie zuvor 3,6 Prozent erwarten die Weltbank-Ökonomen heuer nur noch 2,5 Prozent globales Wirtschaftswachstum. Nächstes Jahr sollen es 3,1 Prozent sein – statt wie bisher angenommen 3,6 Prozent. Die vergleichsweise stark wachsenden Schwellenländer werden heuer statt um 6,2 nur um 5,4Prozent zulegen. Mit 2012 habe ein „schwieriges Jahr“ begonnen. Die Weltwirtschaft sei in eine gefährliche Phase eingetreten, so die Weltbank.

Im Zentrum der Befürchtungen steht Europa. Im schlimmsten Fall könnte das globale Wachstum sogar um rund vier Prozentpunkte niedriger sein als aktuell prognostiziert. Das würde eine globale Rezession bedeuten. Es sei deshalb wichtig, sich nicht nur mit einem niedrigeren Wachstum vertraut zu machen – sondern vorsorglich auch eine massive Verschlechterung nicht aus den Augen zu verlieren, so der Weltbank-Manager Hans Timmer.

Die Weltbank-Autoren spielen in ihrem Bericht mehrere Risikoszenarien durch. Das Ergebnis: Bereits dann, wenn es in einem oder zwei kleinen Euroländern zu einer schweren Kreditklemme kommt, könnte das globale Wirtschaftswachstum praktisch zum Stillstand kommen. Passiert dasselbe in zwei größeren Euroländern, wäre 2013 sogar ein Absturz von mehr als einem Prozent möglich, so der Bericht. Ausdrücklich positiv sieht die Weltbank die Entwicklung von sonst eher selten gelobten Volkswirtschaften: So erwartet sie im besten Fall für 2012 ein Wachstum von fünf Prozent im Kosovo, von fast vier Prozent in Russland und von knapp drei Prozent in der Türkei.

Warnung an Österreich

Die Weltbank spricht in ihrem Bericht auch eine Warnung an Österreich aus: Die geplante Regulierung der Kreditvergabe heimischer Institute in Osteuropa sei eine „besorgniserregende Entwicklung“. Dies könnte in Ländern wie Rumänien und Albanien „die finanziellen Konditionen spürbar verschärfen“, so die Weltbank.

Selbst wenn die Eurokrise nicht weiter eskalieren sollte, steht Europa vor einem verlorenen Jahr, sagen die Experten. Die 17 Länder der Eurozone werden heuer in eine Rezession rutschen – mit einem durchschnittlichen Wachstumsrückgang von 0,3 Prozent. Auch, wenn die europäische Schuldenkrise aktuell eingedämmt ist. Nächstes Jahr soll sich die Eurozone dann auf 1,1Prozent Wachstum erholen – im Idealfall.

Nach der Warnung der Weltbank sorgten am Mittwoch Gerüchte rund um den Internationalen Währungsfonds (IWF) für Verwirrung. Am Vormittag beflügelte eine Agenturmeldung die Börsen, wonach der IWF seine Mittel um eine ganze Billion Euro ausweiten wolle. Wenig später hieß es, der Fonds wolle lediglich aufstocken: von 385 Mrd. auf 885 Mrd. Am Nachmittag bestätigte der IWF dann, dass man auf der Suche nach „nur“ 500 Mrd. Dollar sei.

Einzig: Egal, wie hoch die von IWF-Chefin Christine Lagarde angestrebte Summe auch ist: Bis jetzt will kaum jemand zahlen. Die IWF-Mittel können nur mithilfe der Mitgliedsländer aufgestockt werden. Die EU-Länder haben schon im Dezember beschlossen, 200 Mrd. Euro bereitstellen zu wollen. Dieses Geld soll allerdings nicht aus den nationalen Budgets kommen, sondern von den Zentralbanken „frisch gedruckt“ werden. Die Deutsche Bundesbank legt sich seither quer, ihren Anteil von 45 Mrd. Euro bereitzustellen, und fordert zuerst eine entsprechende Entscheidung des Bundestages. Auch die übrigen IWF-Mitglieder scheinen nicht zu wissen, woher sie das Geld zur Krisenbekämpfung nehmen sollen.

BRICs blockieren den IWF

Die USA und Großbritannien haben schon im Dezember abgewinkt. Eine Mittelaufstockung wäre ohne die Beteiligung der USA aber de facto unmöglich. Selbst wenn der IWF mit seiner Geldsuche bei den Entwicklungsländern erfolgreich sein sollte. Aber China, Brasilien, Russland und Indien legen sich bisher quer. Sie geben zwar positive Lippenbekenntnisse ab, verlangen aber im Gegenzug mehr Macht im IWF. China verlangt sogar zusätzlich von Europa, die sich ausweitenden Bürgerproteste „unter Kontrolle“ zu bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2012)

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