Der Historiker Andrei Ryabov berichtet von Bussen, die Menschen in die russische Hauptstadt fuhren, um Putins Sieg abzusichern. Der Betrug sei organisiert gewesen.
Rund 30.000 bis 40.000 Russen sollen Sonntagabend zum Mehrfachwählen und für die Wahlfeier des Siegers Wladimir Putin nach Moskau gebracht worden sein. "Das ist eine riesige staatliche Maschinerie", sagt der russische Historiker Andrei Ryabov am Dienstag. Ryabov ist am renommierten Moskauer Carnegie Zentrum beschäftigt.
Die Gouverneure in den Provinzen hätten entsprechende Anweisungen bekommen und diese an die staatlichen Betriebe weitergegeben. Tausende seien dabei von der Organisation bis zur Durchführung der Fahrt beteiligt gewesen: Die Teilnehmer wählten zuerst an ihren Wohnorten, bevor sie mit Bussen oder dem Zug - teilweise vom Uralgebirge - in die Hauptstadt gebracht wurden. Dort hätten sie wiederum Busse von Wahllokal zu Wahllokal gebracht, um wiederholt zu wählen. Am Abend des Wahltags sei es für sie dann zu der Siegesfeier Putins gegangen, sagte Ryabov.
Russland der Leibeigenen
Die Leute aus der Umgebung Moskaus seien noch am späten Abend nach der Kundgebung wieder nach Hause gebracht worden. Teilweise seien die Teilnehmer dafür bezahlt, teilweise unter Druck gesetzt worden. Viele hätten Angst, ihre Arbeit zu verlieren. Unter den Mehrfachwählern sollen staatliche Angestellte wie Lehrer, Krankenschwestern oder Militärangehörige sein. Aber auch Pensionisten würden sich aus Abhängigkeit für die Fahrt entschieden haben. Ryabov zitiert in diesem Zusammenhang den Ausdruck eines Historikerkollegen und spricht vom "Russland der Leibeigenen".
Junge Leute hätten für eine Teilnahme etwa 1000 Rubel (25,7 Euro) bekommen. Die Kreml-Jugend Naschi habe bei der Putin-Feier dagegen nur einen kleinen Teil der Teilnehmer ausgemacht. Die Mehrfachwähler seien für Putin allerdings "keine nachhaltige Unterstützung", weil sie nur der Anreize wegen gehandelt haben.
Das Ziel des "Wahlbetrugs" sei gewesen, eine Stichwahl auf jeden Fall zu vermeiden. In einem zweiten Wahlgang hätte die Bevölkerung sich aufspalten und einen möglichen Gegenkandidaten stärken können. Das wäre für Putin ein Desaster gewesen.
(Ag.)