Malariatherapie: Kommission nimmt Arbeit auf

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Symbolbild Behandlung(c) FABRY Clemens
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Fragwürdige Methoden bei bei Forschung und Patientenbehandlung in den 50er- und 60er-Jahren stehen auf dem Prüfstand.

"Malariatherapie", Insulinschocks - Fragwürdige Methoden wie diese bei bei Forschung und Patientenbehandlung in den 1950er und 1960er Jahren - vor allem bei psychiatrischen Krankheitsbildern - werden nun von einer Historikerkommission untersucht. Sie sollen die Nachkriegsgeschichte der früheren Medizinischen Fakultät der Universität Wien aufarbeiten. Der Rektor der MedUni Wien, Wolfgang Schütz, hat am Mittwoch Gernot Heiss als Leiter der fünfköpfigen Kommission vorgestellt.

Im Zentrum der Untersuchung steht die sogenannte Klinik Hoff, die Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie, benannt nach ihrem Leiter Hans Hoff. Gefragt ist der Zeitraum zwischen 1945 und 1978 - jenem Jahr, in dem an der Medizinischen Fakultät die Ethikkommission eingeführt wurde. Damit wurde das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gestärkt, ihre Zustimmung war Voraussetzung für Therapien geworden. "Die Arzt-Patientenbeziehung war früher anders. Der Arzt tat, was er für das Beste für den Patienten hielt", sagte Christiane Druml, Vizerektorin der MedUni Wien für Klinische Angelegenheiten und Vorsitzende der Bioethikkommission.

"Ich war überrascht, dass die Malariatherapie in den 50er und 60er Jahren noch durchgeführt wurde", sagte Schütz. 1927 hatte Julius Wagner-Jauregg für die Behandlungsform für Syphiliskranke im Spätstadium entdeckt und dafür den Nobelpreis bekommen. In der Nackkriegszeit wurde die Therapie durch die Einführung des Penicillins überholt. In der Krampftherapie waren beispielsweise Insulinschocks lange eine gängige Behandlungsmethode.

Dem Rektor zufolge lautet nun die Frage: "Ist das damals (zwischen 1945 und 1978, Anm.) nur in einer gewissen Tradition von 1927 verwendet worden, oder hatte das noch praktische Bedeutung?" Es gehe um die Bewertung dieser Behandlungsmethoden mit dem damaligen Stand des Wissens. Schließlich würde Schütz zufolge niemand auf die Idee kommen, den Ärzten von Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven Vorwürfe zu machen, die mit Aderlässen sicher zum früheren Ableben der Komponisten beigetragen hätten. Diese waren eben "damals State of the Art".

Die Arbeit der Kommission ist vorläufig für zwei Jahre veranschlagt. In den ersten beiden Monaten geht es Heiss zufolge um die Sichtung der Quellen: "Ich kann nur hoffen, dass noch etwas auf der Klinik vorhanden ist", sagte der Historiker. Nach einem Jahr soll ein Zwischenbericht vorgelegt werden, nach zwei Jahren dann der Endbericht.

(APA)

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