Die im Schatten sieht man nicht

Die EU richtet ihr Augenmerk erst reichlich spät auf den Bereich der Schattenbanken.

Es passiert selten, dass sich Wirtschaftsexperten bei einem Thema einig sind. Bei den Ursachen der Finanzkrise sind sie es: Es war vor allem die mangelnde Kontrolle und Aufsicht, die die Welt in den finanziellen Abgrund gerissen hat. Der IWF sprach in einem Bericht von einem „unkontrollierten Bereich, der das Beben verursacht hat“; die EU schrieb von einem „eindeutig unangemessenen Regulierungs- und Aufsichtsrahmen“.

Die Konsequenz für die Politik war klar: „Kein Produkt des Finanzmarkts soll künftig unreguliert oder unbeaufsichtigt sein“, betonten die 20 führenden Industrienationen (G20) bei einem Treffen im April 2009 in London.

Knapp drei Jahre später gibt es tatsächlich weitreichende Regelungen, von strengen Eigenkapitalvorschriften für Banken bis zu neuen Aufsichtsbehörden. Für den offiziellen Finanzbereich.

Die Welt der Schattenbanken, in die Finanzinstitute vor der Regulierung geflohen sind, ist weiterhin ein beinahe rechtsleerer Raum – und weiterhin eine tickende Zeitbombe, die die Welt jederzeit wieder in eine schwere Krise stürzen kann. Um das deutlich zu machen: Das Volumen der Finanzakteure im Schattenbereich entspricht bereits 46 Billionen Euro, das ist rund die Hälfte aller Aktiva im traditionellen Bankbereich.

Für die EU ist es aber erst jetzt „an der Zeit“, sich dem Parallelsystem zuzuwenden. Es ist nicht „an der Zeit“, es ist höchste Zeit. Hier geht es nicht um einen Eingriff in das freie Spiel des Marktes, sondern um eine notwendige Regulierung, die eine neuerliche Krise verhindern könnte.

norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2012)

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