Nach dem Abflauen des Immobilien-Booms konzentrieren sich die Golfstaaten auf neue Wirtschaftszweige. „Da gibt es Chancen für unendlich viele österreichische Firmen“.
Dubai/Eid. „Da gibt es Chancen für unendlich viele österreichische Firmen, vor allem auch Klein- und Mittelbetriebe.“ Wolfgang Penzias, der österreichische Handelsdelegierte für die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), schätzt die Entwicklung der Region durchaus optimistisch ein. Der Fast-Finanz-Crash von Dubai im Jahr 2009, der von den reichen Nachbarn aus Abu Dhabi mit einer kräftigen Finanzspritze abgewendet werden konnte, sei durchwegs heilsam gewesen, die völlig überhitzten Immobilienpreise seien um gut 50 Prozent auf ein Normalmaß gesunken. Das Wirtschaftswachstum lag im Vorjahr bei 4,5 Prozent, ein durchschnittliches Plus von fünf Prozent sei nun das angepeilte Maß, erklärt Penzias.
Die Emirate, aber auch die Nachbarn (Penzias ist auch für Bahrain, Kuwait, Katar, den Oman und Pakistan zuständig) setzten deshalb nicht mehr auf überdimensionierte Immobilienprojekte wie „The Palm“ und „The World“ – Villen und Hotels auf künstlich aufgeschütteten Inseln. „Es geht um den Ausbau der Infrastruktur für Industrien abseits des Öls, um erneuerbare Energien, um Forschung und Ausbildung.“
220 österreichische Firmen sind mittlerweile in den VAE tätig – von Andritz bis zur Voestalpine. Chancen sieht Penzias allerdings auch für kleine Spezialisten. An Beispielen dafür mangelt es nicht. So etwa hat die Salzburger Planungsfirma Geoconsult bei den Tunneln für die U-Bahn in Dubai mitgearbeitet. Der Umwelttechnik-Spezialist IUT aus Seebenstein ist mit der GE Jenbacher bei der Müllentsorgung engagiert. Der Baukonzern Porr erarbeitet mit der Technischen Universität Wien ein Raumplanungskonzept für den Oman. Die TU Wien hat außerdem mit dem Campus Wien und der Uni Krems eine Ausbildungsinitiative für die Universität al-Ain in Abu Dhabi laufen.
Schokolade aus Kamelmilch
Aber auch im Lebensmittelbereich haben findige Unternehmer lukrative Nischen aufgetan. So etwa produziert der Salzburger Hans Georg Hochleitner mit dem Deutschen Martin van Almsick die weltweit erste Schokolade aus Kamelmilch. Die Milch, die von 3000 Kamelen aus einer Farm in Dubai stammt, kommt als Pulver nach Wien und wird hier beim Schnittenkönig Manner verarbeitet. Dann geht die Schokolade wieder ins Emirat zurück. Ab diesem Sommer soll die Süßigkeit auch in Europa verkauft werden.
Die Diversifikation in andere Wirtschaftszweige bedeutet aber nicht, dass jene Emirate, die über große Ölvorräte verfügen, auf diese Einnahmequelle verzichten. In Abu Dhabi entsteht etwa der weltweit größte Hydrocracker, mit dem Rohöl in Zwischenprodukte „gespalten“ wird. Mit von der Partie bei diesem Milliardenprojekt ist die Borealis, die zu 64 Prozent der International Petroleum Investment Company (IPIC) und zu 36 Prozent der OMV gehört.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2012)