Heckflosse als Identitätssymbol: Ende der nationalen Fluglinie

Das Konzept "Eine Airline für jeden Staat in Europa" hat ausgedien. Die AUA muss nicht nur ihre Kostenstruktur radikal senken, sondern sich im Lufthansa-Konzern eine unverwechselbare Stellung suchen.

Wien. „Too big to fail“ – dieses in der Bankenwelt nicht erst seit der Wirtschaftskrise 2008 eingesetzte Argument, wenn es darum geht, einen schlingernden Finanzriesen mittels Verstaatlichung zu retten, hat in der Luftfahrt die Bedeutung verloren. Zwar gab es auch für Airlines wiederholt staatliche Rettungsaktionen. Aber sie haben, wie die zwei Beispiele Alitalia und Olympus zeigen, nicht gefruchtet.

Seit die amerikanische Ikone Pan Am in den Achtzigerjahren finanziell abstürzte und die Konkurrentin TWA von American Airlines aufgefangen werden musste (die steht jetzt unter Gläubigerschutz), war klar, dass in der Luftfahrt andere Regeln herrschen. Der ehemalige Präsident des Weltluftverbandes IATA, Giovanni Bisignani, verglich das Drohpotenzial für die Branche mit den vier apokalyptischen Reitern: Terror, Seuchen, Konjunktureinbrüche und der Ölpreis – diese Zerstörungskräfte reißen die Fluglinien regelmäßig tief in die Verlustzone.

Nur drei Große überleben

Besonders anfällig ist die europäische Luftfahrt. Der Markt ist fragmentiert – in keiner anderen Region sind so viele Billigairlines aus dem Boden geschossen. Außerdem fehlen in Europa auch in konjunkturell guten Zeiten jene Wachstumsraten, die in Asien und dem Nahen Osten einen Luftfahrtboom auslösten und den Airlines dicke Gewinnpolster bescherten. Dazu kommen staatliche Eingriffe wie Ticketsteuer und Emissionshandel.

Die Prognose von Experten, dass in Europa langfristig nur drei große Gesellschaften – Air France/KLM, Lufthansa und British Airways – sowie Ryanair als Billigcarrier selbstständig überleben werden, wird daher immer wahrscheinlicher. 2011 haben selbst Air France/KLM und die Lufthansa Verluste geschrieben.

Mehr denn je stellt sich daher die Frage, ob „nationale“ Fluglinien, vor allem wenn sie klein sind, noch eine Chance haben. Die Antwort darauf lautet Nein. Das Konzept ist überholt. Bisher gab es einen Grund: Flugrechte in außereuropäische Länder hingen von einer substanziellen Beteiligung des Staates an seiner nationalen Airline ab. Inzwischen reicht es, wenn die Eigentümer in der EU beheimatet sind. Fast alle Staaten haben dies anerkannt.

Bleibt das Argument des Wirtschaftsstandorts, für den eine eigene Airline natürlich Vorteile bringt. Allerdings muss es eben keine „nationale“ sein. Das aktuellste Beispiel haben wir vor der Haustür: Als die ungarische Malev einen finanziellen Crash landete, sprang Ryanair nahtlos ein und übernahm alle wichtigen Strecken.

Mit dem Jammern um den Verlust der nationalen Identität, die von einer Fluglinie angeblich verkörpert wird, lässt sich der Zug der Zeit nicht aufhalten. Wie sich nun am Desaster bei der AUA – die ja seit 2009 nicht mehr „national“, sondern im Besitz der Lufthansa ist – zeigt. Zu lange wurde die rot-weiß-rote Heckflosse hochgejubelt. Dabei wurde übersehen, der AUA eine Strategie und eine Kostenstruktur zu verpassen, die sie auch in rauen Zeiten bestehen lässt.

Vorbild aus der Schweiz

Das hat die Swiss geschafft, noch bevor sie von der Lufthansa übernommen wurde. Die Schweizer Airline änderte sich allerdings auch nicht freiwillig. Die Pleite, in die die Swissair infolge maßloser Aufkäufe maroder Fluglinien geschlittert war, brachte die schmerzhafte Wende. Entledigt von Altlasten wie teuren Pensionsverträgen wurde die Swiss – auf Basis der Regionallinie Crossair – neu aufgestellt. Allerdings verfügt die Swiss mit dem Finanzplatz Zürich und der Schweizer Großindustrie über eine reich sprudelnde Quelle betuchter Business- und First-Class-Passagiere. Außerdem hat die Swiss so gut wie keine Billigairline als Konkurrenz.

Den Wettkampf gegen Air Berlin und „Niki“ hat die AUA-Führung in den letzten Jahren gebetsmühlenartig als eine der Ursachen für das schlechte Abschneiden ins Treffen geführt. Das mag sogar stimmen, es ändert freilich nichts an der Tatsache, dass kleine und mittelgroße Fluglinien einen schweren Stand haben. Wie sich zeigt sogar dann, wenn sie unter den Fittichen des deutschen Kranichs fliegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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