Iranischer Großayatollah: Todesdekret gegen Rapper in Deutschland

(c) sharrmusic.org
  • Drucken

Der in Deutschland lebende iranische Musiker Shahin Najafi soll in einem Song den zehnten Imam der Schiiten (828 bis 868 v. Chr.) beleidigt haben. Nun wurden alle Muslime aufgefordert, Najafi zu ermorden.

Nicht nur Schiiten, sondern alle Menschen islamischen Glaubens sind aufgefordert, den im Iran geborenen, in Deutschland lebenden Musiker Shahin Najafi zu ermorden und „für immer in die Hölle zu schicken“. Das sagt eine Fatwa (siehe Kasten), die ein iranischer Großayatollah, Ali Safi-Golpayegani, erlassen hat. Ein Großayatollah ist im schiitischen Islam eine hohe geistliche Autorität, weltweit gibt es nur 20 solche Herren, davon 14 im Iran.

Der Letzte,  der von einem hohen islamischen Geistlichen per Fatwa mit dem Tod bedroht wurde, war Salman Rushdie: Khomeini höchstpersönlich, der Gründer der Islamischen Republik, sprach sie 1989 aus. Für den Autor bedeutete dies in den darauffolgenden Jahren ein Leben im Untergrund, mit Leibwächtern ständig an seiner Seite. Dabei war Salman Rushdie keineswegs auf Provokation aus gewesen, und sein Ziel war auch nicht der Protest: Wie schon in seinen früheren Büchern entwarf er ein aberwitziges Szenario, ein barockes Tableau, mit Erzengeln und Teufeln, von Hindugöttinnen und den Frauen des Propheten Mohammed – bzw. Prostituierten, die so wie des Propheten Frauen hießen.

Shahin Najafi, der nun mit dem Tode bedroht wird, ist dagegen als politischer Rapper bekannt. In der iranischen Provinz Gilan geboren, studierte er Soziologie. 2005 wanderte er nach Deutschland aus – der Druck auf ihn vonseiten der iranischen Behörden war zu groß geworden. Im Exil singt er weiterhin auf Farsi und auch seine Fangemeinde sitzt nach wie vor vorwiegend im Iran – dort werden seine (im Mainstream-Hip-Hop-Stil gehaltenen) Lieder auf dem Schwarzmarkt gehandelt und illegal heruntergeladen, denn die Platten sind verboten, und die offizielle Homepage des Sängers ist vom Regime längst blockiert.

Song über den Imam Naghi

In seinen Texten greift Shahin Najafi die politische und religiöse Führung im Iran oft direkt an – „Neda“ etwa befasst sich mit jener jungen Frau, die zum Symbol der grünen Revolution wurde: Polizisten streckten sie bei einer Demonstration nieder, ein Video hielt ihren Tod fest, es ging um die Welt. Shahin Najafi imaginiert die letzten Stunden Nedas: Wie sie im Fernsehen die Bilder der Massen sieht, die auf die Straße stürmen, um gegen den Wahlbetrug zu demonstrieren; wie sie von der Mutter gewarnt wird, die meint, alles Leid werde umsonst gelitten, alle Toten würden umsonst sterben, nichts werde sich ändern. Und doch geht Neda auf die Straße. In einem anderen Song betrauert Shahin Najafi den Tod eines kurdischen Aktivisten – Farzad Kam wurde vom iranischen Regime 2010 ermordet. „Es bedeutet, du kannst leben“ ist ein direkter Aufruf zum Protest: „Es ist nicht die Zeit, zu weinen; tu etwas, oder wir werden alle massakriert.“ Ein berührender Song ist seiner Mutter gewidmet – und allen anderen Frauen im Iran.

Das Lied, das nun vom Großayatollah inkriminiert wurde, heißt „Imam Naghi“, es richtet sich an den zehnten Imam Ali al-Hadi. Leider liegt es nicht in Übersetzung vor, doch es heißt, darin werde Ali al-Hadi angefleht, er möge „zurückkehren“ – und mit diversen Missständen und der Korruption im Iran aufräumen. Auf der Homepage des Sängers wird auf eine Seite mit einer Karikatur verlinkt: Sie zeigt eine weibliche Brust, die an eine Kuppel erinnert – mit der Regenbogenfahne der Lesben- und Schwulenbewegung an der Spitze.

Wer ist bzw. war der zehnte Imam, und warum ist er den iranischen Geistlichen so wichtig? Nun, die im Iran herrschenden Schiiten glauben – im Unterschied zum anderen Hauptzweig des Islam, den Sunniten – an eine Reihe von Nachfolgern Mohammeds: die Imame. Der erste Imam soll der Schwiegersohn des Propheten gewesen sein, auf ihn folgen vier oder sechs oder elf Imame, je nach Richtung. Am häufigsten sind die „Zwölfer-Schiiten“, für die es zwölf Imame gab, sie herrschen im Iran.

Der zehnte Imam war jedenfalls Ali al-Hadi, er lebte von 828 bis 868 n. Chr. in Samarra, verbrachte fast sein ganzes Leben unter Hausarrest und wurde vermutlich vergiftet. Sein Schrein, in dem dann auch sein Sohn bestattet wurde, ist den Zwölfer-Schiiten heilig. Die Brust/Kuppel auf dem Bild zu „Imam Naghi“ soll diesem Schrein ähneln, behaupten Kritiker des Sängers.

Islamisches Recht

Eine Fatwa ist ein islamisches Rechtsgutachten – wie ernst es genommen wird, hängt von der persönlichen Autorität des Verfassers ab. Im sunnitischen Islam, in dem es keinen Klerus gibt, ist stets umstritten, wer eine Fatwa ausstellen darf. Aber auch Schiiten müssen sich in Ländern ohne islamisches Recht (Scharia) bisweilen zwischen widersprüchlichen Fatwas entscheiden. Im Iran – wo die Scharia herrscht – beschließen die Religionsführer die Fatwas, mitunter auch gegen die Politik. So wollte Präsident Ahmadinejad 2006 anlässlich der Fußball-WM das Stadionverbot für Frauen aufheben, die Fatwa eines Ayatollahs verhinderte das.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Das Cover eines Albums von Shahin Najafi
Religion

Todesdekret gegen iranischen Rapper in Deutschland

Ein iranischer Großayatollah deutet einen Song des Rappers Shahin Najafi als Blasphemie und ruft zu dessen Ermordung auf. Ein solches Todesdekret wurde einst auch gegen den Autor Salman Rushdie gerichtet.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.