Ein Bescheid von Wiener Vergaberichtern stellt fest, dass „Angebotsbedingungen durch Philips erstellt wurden“. Trotzdem vergab das AKH den Großauftrag anschließend wie geplant. Die Spitalsleitung sagt: Zu Recht.
Vergab das Wiener Allgemeine Krankenhaus einen millionenschweren Auftrag über EDV-Dienstleistungen so, wie es sich der einzige eingeladene Bieter wünschte? Und nahm das Großspital sich selbst und dem Steuerzahler die Chance, aufgrund der unterlassenen öffentlichen Ausschreibung mit anschließendem Wettbewerb zwischen den Bietern 30 bis 40 Prozent der Kosten zu sparen?
Weil das Verfahren abgeschlossen ist, werden die Antworten wohl ewig Theorie bleiben. Der „Presse“ vorliegende Unterlagen werfen aber zumindest ein schiefes Licht auf ein Geschäft, das in den Jahren 2010 und 2011 zwischen dem AKH und Philips Healthcare über die Bühne ging.
Seit 2007 gibt es in dem Spital den Plan, das alte Patientendatenmanagementsystem (PDMS) zu erneuern. Stark vereinfacht gesagt ist ein PDMS ein Verbund aus Hard- und Softwarekomponenten zur Verwaltung elektronischer Patientenakten. Laut internen Unterlagen fehlte dafür lange Zeit das Geld. 2010 waren die nötigen Mittel – sechs Millionen Euro, verteilt auf jährliche Tranchen in der Höhe von zwei Millionen – schließlich verfügbar.
Als Empfänger der Summe kristallisierte sich ziemlich schnell die Firma Philips Healthcare heraus, die das alte System „Care Vue Classic“ von Hewlett Packard erworben hatte, und mit dem System ICIP (Intelli Vue Clinical Information Portfolio) auch einen Nachfolger anbietet. Ein potenzieller Mitbewerber bekam von den an sich vertraulichen Gesprächen Wind und beschwerte sich beim dafür zuständigen Vergabekontrollsenat (VKS) der Stadt Wien. Zu Recht.
In deutlichen Worten stellten die Vergaberichter nämlich anschließend fest, dass die Vorgehensweise des AKH nicht dem korrekten Prozedere entsprach. Wörtlich heißt es im Bescheid aus der nicht öffentlichen Verhandlung: „Der gesamte Vergabeakt erweckt den Eindruck, dass auch die Angebotsbedingungen durch Philips erstellt wurden, das Verhandlungsverfahren im Wesentlichen von Philips geführt worden ist und von welchem Unternehmen auch die überwiegende Mehrzahl der schriftlichen Dokumentation in den Vergabeakten stammt.“
Bestellungen auf Zuruf?
Auf Details geht der VKS im Bescheid nicht ein. Vermutlich berief sich der Senat aber auf betriebsinterne Unterlagen von Philips und dem AKH. Auch solche liegen der „Presse“ vor. Am 1. Oktober 2010 erstellte Philips' Projektplaner M. einen „Konzeptvorschlag zur Implementierung des PDMS ICIP im AKH Wien“. Von einem Zuschlag war zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede. Im Papier finden sich u. a. Details darüber, welche Hard- und Software hierfür vom AKH anzuschaffen sei.
Und das geschah dort offenbar auf Zuruf. Denn bereits am 12. Oktober unterzeichnete der Chef der zuständigen Abteilung im Spital ein entsprechendes „Anschaffungsersuchen für EDV-Investitionen“. Was bedeutet: Noch bevor überhaupt ein Angebot des Exklusivbieters vorlag, wollte das Spital die dafür nötigen Server und Softwarelizenzen im Wert von 1,5 Mio. Euro (zuzüglich 20 Prozent Mehrwertsteuer) kaufen. Laut VKS ein Indiz für die unzulässige Absicht einer Direktvergabe.
Das dazugehörige Angebot von Philips kam übrigens einen Monat später via falsch datiertem E-Mail. Konsequenz: Mitte Februar schickte der VKS das Spital zurück an den Start.
Ein halbes Jahr später wurde bekannt, dass das Haus den gleichen Weg noch einmal bestritt, sich wieder für die vergaberechtliche Ausnahme eines nicht öffentliches Verhandlungsverfahrens mit nur einem Bieter entschied. Und wieder war der Bieter Philips. Ob das nicht seltsam aussieht?
„Rechtlich war die Vergabe gänzlich korrekt“, sagt Herwig Wetzlinger, stellvertretender Direktor des Spitals und als solcher für die wirtschaftlichen Angelegenheiten verantwortlich. Immerhin: Eine neuerliche Beanstandung eines Mitbewerbes beim VKS wurde per Bescheid am 29. September 2011 abgewiesen.
Für die Öffentlichkeit hat die Sache aber einen Schönheitsfehler. Mit der inhaltlichen Kritik an der Art der Vergabe setzte sich der VKS dieses Mal nämlich gar nicht auseinander. Die Beschwerde langte lediglich zu spät ein. Ein Formfehler.
Trotzdem glaubt Wetzlinger, dass sein Haus „transparent und ordentlich“ vorgegangen ist. Nur Philips sei technisch dazu in der Lage gewesen, das veraltete PDMS nach den Ansprüchen des AKH zu ersetzen.
Philips schweigt
Andere Hersteller bezweifeln das. Zumindest zehn Unternehmen bieten derartige Systeme in Europa an. „Die Presse“ sprach mit zwei davon. Beide waren der Meinung, gleich- oder höherwertige Lösungen anbieten zu können.
Philips wollte zu den Vorgängen rund um die PDMS-Vergabe auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben. AKH-Vizedirektor Wetzlinger argumentiert, dass die gewählte Form der Vergabe schon deshalb korrekt sei, weil der Systemwechsel von Care Vue auf ICIP aus Sicht seines Spitals im Grunde nur ein Update und nicht die Neubeschaffung eines Produkts sei. „Eigentlich wollten wir gar kein neues PDMS. Weil das alte jedoch auslief, waren wir gezwungen, eines zu beschaffen.“ Und genau diese Motivlage sei der entscheidende Punkt für die Verhandlungen mit nur einem Bieter gewesen.
Auf einen Blick
Im Februar 2011 kritisierten Vergaberichter die Verhandlungen des AKH über eine millionenschwere Auftragsvergabe an Philips. Demnach hätte die Firma selbst die Konditionen bestimmt. Trotz des negativen Bescheids wiederholte das AKH das Prozedere. Philips erhielt den Auftrag, ein weiterer Einspruch langte zu spät ein.