G20: Barroso will sich "nicht belehren" lassen

Kommissionspräsident Barroso
Kommissionspräsident Barroso(c) REUTERS (HENRY ROMERO)
  • Drucken

Beim G20-Gipfel in Mexiko steht die Wirtschaftskrise in Europa im Mittelpunkt. Europa wird von allen Seiten zum Handeln aufgefordert.

Der G20-Gipfel der stärksten Volkswirtschaften der Erde hat offiziell begonnen. Das zweitägige Treffen im mexikanischen Badeort Los Cabos wird von der Euro-Schuldenkrise nach den Wahlen in Griechenland beherrscht. Aber auch die eskalierende Gewalt in Syrien kommt zur Sprache. In der ersten Arbeitssitzung geht es um Wachstum und die Weltwirtschaft. Die G20 will sich abstimmen, wie rasch und wirksam auf Turbulenzen im globalen Finanzsystem reagiert werden kann.

Innerhalb der G20 werden die Europäer nach der Wahl in Griechenland immer mehr gedrängt, endlich ihre Staatsschuldenkrise zu lösen. Europa müsse "alle notwendigen politischen Maßnahmen" ergreifen, um die seit mehr als zwei Jahren andauernde Probleme in den Griff zu bekommen, forderten die G20 im Kommunique-Entwurf. Die Euro-Staaten müssten den Teufelskreis aus angeschlagenen Banken und ausufernden Staatsschulden durchbrechen. Der südkoreanische Präsident Lee Myung-bak rief das krisengeplagte Europa zu einschneidenden Veränderungen auf. Reformen seien die einzige Lösung für die Schuldenprobleme - egal, wie schmerzhaft oder unpopulär sie auch seien, sagte Lee.

"Krise nicht von Europa ausgelöst"

EU-Vertreter wehren sich wiederum dagegen, die Verantwortung für die Weltwirtschaft allein bei den Europäern zu suchen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in Los Cabos, die Europäer würden ihre Probleme "entschlossen angehen". Dazu gehörten Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulse. "Wir lassen uns hier von niemandem belehren", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso vor Gipfelbeginn. Die Krise sei nicht von Europa ausgelöst worden, sondern habe in den USA "durch die unorthodoxe Praxis in einigen Bereichen des Finanzmarktes" ihren Ausgang genommen. Dadurch seien europäische Banken infiziert worden. Doch Europa beschuldige die USA nicht, sondern suche die Kooperation, um die Probleme zu lösen, sagte Barroso, der zudem mit einer baldigen Einigung der Europäischen Union auf eine Finanztransaktionssteuer rechnete.

Im Tauziehen um die Aufstockung der Krisenmittel des Internationalen Währungsfonds (IWF) stellten einflussreiche Schwellenländer Bedingungen. Die sogenannten BRICS-Staaten verlangten unter anderem IWF-Reformen, ehe sie die von ihnen erwarteten Beiträge leisten. Die BRICS sind Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, sie gehören zur Gruppe der G-20. Die Verdoppelung der IWF-Krisenmittel auf rund 800 Milliarden Dollar war grundsätzlich bereits im April beschlossen worden.

"Garantie für Stabilität"

Die Staaten der Euro-Zone wollen beim Gipfel eine Garantie für die Stabilität der gemeinsamen Währung abgeben. Im Entwurf der Abschlusserklärung heißt es: "Die Mitglieder der Euro-Zone in der G20 werden alle notwendigen politischen Maßnahmen ergreifen, um die Integrität und Stabilität des Währungsraums zu sichern." Der Teufelskreis von Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder und angeschlagenen Banken müsse durchbrochen werden. Alle führenden Volkswirtschaften der Erde (G20) versprechen, Maßnahmen für mehr Wachstum zu ergreifen und das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen.

US-Präsidenten Barack Obama wollte am Montagabend (Ortszeit) während eines Sondertreffens mit den in Los Cabos vertretenen EU-Staaten beraten. Zu den führenden Industrie- und Schwellenländern der Welt (G20) gehören neben den USA europäische Staaten wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien sowie Schwellenländer wie Russland, Brasilien, China und Indien. Sie stehen zusammen für fast 90 Prozent der Wirtschaftsleistung weltweit und zwei Drittel der Weltbevölkerung. Der Gipfel in Los Cabos ist der siebente in diesem Format.

Der US-Präsident, der sich im November zur Wiederwahl stellt, fürchtet Ansteckungsgefahren durch die Schuldenkrise in Europa und verlangt von den Euro-Staaten mehr Einsatz zur Ankurbelung des Wachstums. Bei einem Treffen mit dem mexikanischen Präsidenten Felipe Calderon als Gipfelgastgeber, zeigte sich Obama "sehr besorgt" über das sich abschwächende globale Wirtschaftswachstum. Der US-Präsident rief die Gipfelteilnehmer auf, dafür zu sorgen, dass "die Wirtschaft wächst, die Situation sich stabilisiert, das Vertrauen in die Märkte zurückkehrt und den Menschen die Chance zum Erfolg durch Arbeit gegeben wird".

Appell für Waffenruhe in Syrien

Auf der G20-Tagesordnung stehen auch die Jugendarbeitslosigkeit, eine weitere Regulierung der Finanzmärkte, Bemühungen um einen freieren Welthandel und Beschlüsse zur Entwicklung ärmerer Länder. Merkel forderte ebenso wie der russische Präsident Wladimir Putin einen entschlossenen Kampf gegen Protektionismus. Dieser sei schädlich für das weltweite Wachstum.

In einem gemeinsamen Appell haben Obama und Putin eine Waffenruhe in Syrien gefordert. Bei ihrem ersten Treffen nach der erneuten Amtsübernahme von Putin als Staatschef forderten die beiden Präsidenten am Rande des G20-Gipfels in einer gemeinsamen Erklärung "eine sofortige Einstellung aller Gewalt". Das Treffen dauerte zwei Stunden. Putin hatte dem Westen mangelnde Bereitschaft vorgeworfen, eine "abgestimmte und ausbalancierte" Syrien-Resolution im UNO-Sicherheitsrat zu erarbeiten und neben den Regierungstruppen auch die bewaffnete Opposition zu einem Ende der Gewalt aufzurufen. Russland und China hatten im Weltsicherheitsrat zweimal ihr Veto gegen westliche Syrien-Resolutionsentwürfe eingelegt.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

G20Gipfel Wachsen nicht wachsen
Außenpolitik

G20-Gipfel: "Wachsen nicht so, wie wir wachsen sollten"

Der G20-Gipfel nimmt die Euro-Zone in die Pflicht, Wachstum zu schaffen. Hollande erwartet eine Finanztransaktionsteuer in Europa für 2013.
Außenpolitik

G20-Gipfel: Europäer wehren sich gegen "Belehrungen"

Statt Einigkeit zu demonstrieren, trugen Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer Konflikte offen zur Schau. Man stritt über Rezepte zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise.
Bewohner der Falklandinseln deklarieren sich britisch - zumindest hier im Bild
Außenpolitik

Streit über Falkland-Inseln auch beim G-20-Gipfel

Der britische Premier Cameron wollte für ein Referendum werben. Zu einem Gespräch mit seiner argentinischen Kollegin Kirchner kam es nicht.
Christine Lagarde
International

Schwellenländer stocken IWF-Krisenkasse kräftig auf

Die Mittel des Weltwährungsfonds werden um 456 Mrd. Dollar fast verdoppelt. Schwellenländer, allen voran China, knüpfen die Aufstockung an Bedingungen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.