Hunter Biden stieg 2014 beim Unternehmen Burisma ein. Geldwäsche-Ermittlungen verliefen sich, bevor sein Vater die Behörden kritisierte.
Es sei besser, von Angesicht zu Angesicht zu sprechen als am Telefon, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij nach seinem ersten Treffen mit dem US-Präsidenten am Mittwoch. Das war natürlich auf das Gesprächsprotokoll gemünzt, das kurz zuvor veröffentlicht worden war. In dem mehrseitigen Ausschnitt des Telefonats vom 25. Juli drängt Trump Selenskij hinsichtlich der Aktivitäten seines Rivalen Joe Biden und dessen Sohn Hunter in der Ukraine mehrmals zur Einmischung.
Hunter Biden war bis April 2019 in der ukrainischen Gasfirma Burisma engagiert. Trump vertritt die These, dass Hunters Vater – damals Vizepräsident unter Barack Obama – Ermittlungen gegen Burisma unterbunden hat. Trumps Anwalt Rudy Giuliani und Justizminister William Bar würden mit Selenskij in der Causa in Kontakt treten, kündigt der US-Präsident am Telefon an. Ein früherer ukrainischer Staatsanwalt – gemeint ist wohl Viktor Schokin – sei „sehr schlecht behandelt“ worden, dabei sei er ein guter Mann, sagt Trump.
Selenskij, dessen fast servile Freundlichkeit gegenüber Trump auffallend ist, scheint über die Sache informiert und bestätigt, dass einer seiner Assistenten mit Giuliani in Kontakt gewesen sei. Er selbst legt sich aber nicht fest. Ihm geht es darum, Trump von seiner „neuen Ukraine“ zu überzeugen, von seiner Absicht, die Wirtschaft zu entwickeln und die Korruption bekämpfen zu wollen. Der nächste (zu diesem Zeitpunkt vom Parlament noch nicht bestätigte) Generalstaatsanwalt sei zu „100 Prozent mein Mann und mein Kandidat“, verspricht er. Mittlerweile ist er im Amt: Ruslan Rjaboschapka. Man werde sich den Fall Biden „ansehen“, stellt der ukrainische Präsident vage in Aussicht. Diese Kameraderie wirft einen Schatten auf den Politiker, der mit Anti-Korruptions-Rhetorik den Wahlkampf gewonnen hat; andererseits dürfte es wahrheitsgemäß sein Verständnis von Politik widerspiegeln: Näher als der Rechtsstaat sind dem Populisten Selenskij Vertrauensleute. Der ukrainische Staatschef hat sich mittlerweile seine Aussage in Teilen relativiert. Rjaboschapka könne von ihm nicht beeinflusst werden; er werde viele Fälle neu aufrollen, sagte er am Mittwoch.
Doch worum geht es im Kern in der Ukraine-Causa? Zur Debatte steht, ob sich die Aktivitäten der ukrainischen Gasfirma Burisma im legalen Rahmen bewegten. Burisma wurde 2002 von Mykola Slotschewskij gegründet, ist auf Zypern registriert und fördert Gas in der Ukraine. Laut eigenen Angaben verfügt das Unternehmen über einen Marktanteil von 30 Prozent bei Privatkunden. Slotschewskij war ein Verbündeter des früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Zudem fallen in der Causa die Namen der beiden Staatsanwälte, die unter seinem Nachfolger Petro Poroschenko im Amt waren: Viktor Schokin und Jurij Luzenko.