Zinskartell: Rekordstrafe für Barclays

(c) EPA (ANDY RAIN)
  • Drucken

Barclays muss wegen der Manipulation des Interbanken-Zinssatzes Libor 362 Millionen Euro zahlen. Die Ermittlungen gegen die anderen Mitglieder des Zinskartells gehen indes weiter.

[Wien/JIl] Es geschieht an jedem Vormittag – immer um elf Uhr Londoner Zeit. Eine Auswahl der wichtigsten Banken der Welt gibt bekannt, zu welchen Zinsen sie sich derzeit bei anderen Banken verschulden können. Aus diesen Zahlen errechnet der britische Bankenverband den Libor (London Interbank Offered Rate). Der Libor hat es noch nie auf die Transparente wütender Anti-Banken-Demonstranten geschafft. Dabei hat dieser Referenzzinssatz eine enorme Bedeutung. Der Gesamtwert aller vom Libor beeinflussten Finanzprodukte, Kredite, Hypotheken und Derivate beträgt Schätzungen zufolge 290 Billionen Euro, also 290.000 Milliarden oder 290.000.000.000.000 Euro.

Dank der Größe dieses Marktes können Banken schon mit einem geringfügig manipulierten Libor riesige Gewinne einfahren. Und genau das haben die Großbanken der Welt offenbar getan. Seit Monaten ermitteln die zuständigen Behörden weltweit, und mit Barclays hat die erste Bank gestanden. Das Institut hat sich mit Behörden in den USA und Großbritannien verglichen und zahlt 363 Mio. Euro Strafe. Barclays Geständnis, die Zinsen im Interbanken-Verkehr manipuliert zu haben, ist ein Meilenstein in diesen Ermittlungen. Die Falschangaben bei der Libor-Bestimmung hätten bereits 2005 begonnen, so die US-Regulierungsbehörde CFTC. Zeitweise sei es täglich zu Falschmeldungen gekommen.

Denn der Libor kann sozusagen auch zu Public-Relations-Zwecken eingesetzt werden. Eine Bank, die sich billig verschulden kann, gilt als solide. Und so hat Barclays während des Höhepunktes der Finanzkrise 2007 bis 2009 auf Weisung des obersten Managements absichtlich niedrige Libor-Meldungen abgegeben, um eine bessere Außenwirkung für die Bank zu erzielen. Barclays Vorstandschef zeigte Reue: „Es tut mir leid, dass einige Leute nicht so gehandelt haben, wie es unsere Unternehmenskultur und unsere Werte vorsehen.“ Diamond ließ den Worten sogar Taten folgen: Weder er selbst noch seine Vorstandskollegen Chris Lucas, Jerry del Missier und Rich Ricci würden für dieses Jahr Managerboni annehmen, sagte Diamond. Der kassierte im vergangenen Jahr eine Gesamtvergütung inklusive Boni von rund 21 Mio. Pfund (rund 26 Mio. Euro). Die britische Finanzaufsicht FSA nannte die Verfehlungen von Barclays „ernst und großflächig“. Mehrere britische Politiker stellten Rücktrittsforderungen an Diamond. Premier David Cameron sagte, der Vorstand habe „sehr ernste Fragen zu beantworten“. Oppositionschef Ed Miliband forderte strafrechtliche Ermittlungen.

UBS ist ein „Whistleblower“

Der nun geschlossene Vergleich dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Behörden aus den USA, England, Kanada und der Schweiz ermitteln seit Monaten unter anderem gegen JP Morgan, Deutsche Bank, HSBC, Royal Bank of Scotland und Citigroup.
Die Aufsichtsbehörden lobten nach der Einigung auf einen Vergleich die Kooperationsbereitschaft von Barclays. Die Bank hätte wertvolle Informationen geliefert. Es ist also nicht auszuschließen, dass den übrigen Großbanken noch höhere Strafen ins Haus stehen. Das Schweizer Institut UBS hatte schon im Februar die Flucht nach vorne angetreten und sich vom US-Justizministerium Weko den Status eines „Whistleblowers“, eines Informanten, zusichern lassen. Auch die UBS wird so einer Strafe als Mitglied dieses Zinskartells nicht entgehen – diese dürfte aber niedriger ausfallen als bei den beteiligten Konkurrenzinstituten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

zeigen LiborAffaere britische Notenbank
Geld & Finanzen

Zinskartell: US-Notenbank warnte bereits 2008

Die Fed empfahl vor vier Jahren Änderungen bei der Festsetzung des Libor-Zinssatzes. Die britische Notenbank gerät zunehmend in Erklärungsnot.
Zinskartell Betrug Jahrhunderts
International

Zinskartell: Der Betrug des Jahrhunderts?

Laut in den USA und Kanada eingebrachter Klagen haben Banken den Libor nach Belieben manipuliert. Notenbanken und Politiker sollen davon gewusst und Kreditnehmer weltweit dafür bezahlt haben.
International

War auch der Euro-Zinssatz manipuliert?

Die Finanzmarktaufsicht will sich mögliche Manipulationen des Euribor "sehr genau anschauen". Erste und RBI geraten ins Visier.
Zinskartell kostet BarclaysChef Kopf
International

Zinskartell kostet Barclays-Chef den Kopf

Robert Diamond, einer der bekanntesten Banker der Welt, ist seinen Job los. Die britische Barclays-Bank manipulierte jahrelang den bedeutenden Libor-Zinssatz.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.