Hinausekeln aus den Unis ist Regierungsprogramm

Studierende, Rektoren und Steuerzahler haben es nicht verdient, dass SPÖ und ÖVP sie bei wichtigen Bildungsfragen aus Angst vor Wahlen und Parteitagen vertrösten.

Österreichs Universitäten und die Zukunft von mehr als 250.000 jungen Menschen, die studieren, sind wichtiger als die Frage, ob ein paar bundesweit bisher unauffällige Hinterbänkler im Parlament durch einen Deal mit einem mit Geld gesegneten Industriellen möglicherweise ihren Verbleib im Hohen Haus verlängern können. Für die Zukunft dieses Landes ist es von x-fach größerer Bedeutung, wie lang diese Regierung gedenkt, das Bildungswesen generell und die Universitäten speziell mit Notfallmaßnahmen weiter dahinwurschteln zu lassen. Dem Rektor der Wiener Wirtschaftsuniversität, Christoph Badelt, ist daher einmal zu danken, wenn er das Scheinwerferlicht von ein paar Parteistrategen, die allein wegen der angekündigten Kandidatur der neuen Stronach-Partei bei der Nationalratswahl 2013 Knieschlottern bekommen, auf die Probleme im realen Bildungsleben richtet.

Es stimmt schon, dass der Wiener WU-Rektor dabei nicht mit Glacéhandschuhen vorgeht, sondern gleich einmal das Brecheisen zur Hand genommen hat. Denn nichts anderes ist es, wenn er jetzt mit einem Antrag auf Beschränkungen der Plätze für Masterstudien der Hörermassen an der WU Herr werden will. Aber damit soll zumindest einem Teil der Studierenden ein geordneter Studienfortschritt ermöglicht werden.

Auf ähnliche Weise hat Badelt für Bachelorstudenten im Vorjahr auf dem Rechtsweg schließlich zusätzliche Geldmittel herausgeschlagen. Dieses Mal müsste der streitbare WU-Chef allerdings noch ein Stück weiter gehen und als letztes Druckmittel die Unterschrift unter die neue Leistungsvereinbarung mit dem Wissenschaftsministerium verweigern, wenn die Regierung wegen rot-schwarzer Uneinigkeit seinen Wunsch nach Zugangsbeschränkungen ignoriert.


Das völlige Ignorieren der Zustände an heimischen Massenuniversitäten war zuletzt selbst für diese realitätsresistente Regierung bereits unmöglich. Wissenschaftsminister Töchterle hat zwar immerhin für drei Jahre mehr Geld bereitgestellt und das medienwirksam als „Uni-Milliarde“ verkündet. Dazu kommen manche Millionen, die er, wie etwa jetzt, für Doktoratskollegs „zusammengekratzt“ hat.

Am Hauptproblem ändert all das aber nichts. Nicht nur in Sonntagsreden wird von der SPÖ das hohe Lied auf den freien Uni-Zugang gesungen. Gleichzeitig schauen SPÖ und ÖVP in ihren Ideologiebunkern gemeinsam seit Jahren zu, wie sich an diesen frei zugänglichen Unis Rektoren mit Notaktionen über die Runden retten müssen und junge Menschen im Studienalltag durch bürokratischen Hindernislauf und im Kampf um Plätze auf der Strecke bleiben.


Die Regierung, allen voran Bundeskanzler Faymann, ist da fein raus. Die Chimäre vom freien Hochschulzugang wird nach außen hin aufrechterhalten. Mit der unangenehmen Aufgabe, den Strom an den Hochschulen zu steuern, und mit der Entscheidung, die bereitgestellten Mittel möglichst effizient einzusetzen, will sich die SPÖ-Führung nicht die Finger verbrennen. Dabei wagen inzwischen etliche Genoss(inn)en von Salzburgs Landeshauptfrau Burgstaller abwärts zu sagen, dass diese Form des vermeintlich kostenlosen Studiums für alle, das letztlich die Steuerzahler wegen der mit der Gießkanne vergossenen Milliarden auch teuer kommt, nicht der Weisheit letzter Schluss einer selbst ernannten roten Gerechtigkeitspartei sein kann.

Studierende und Uni-Verantwortliche müssen sich gefrotzelt vorkommen, wenn Uni-Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren bis zum SPÖ-Bundesparteitag am 13. Oktober für tabu erklärt werden. Und wenn dieses Tabu dann gleich bis zur Wahl 2013 verlängert wird.

Die ÖVP, die jetzt die Sachpolitik wiederentdeckt haben will, muss jedenfalls auch mehr tun, als ständig nur herunterzubeten, sie wäre ohnehin für Studiengebühren. Im Zuge der Budgetverhandlungen für 2013 oder bei einer Klausur speziell zu den Universitäten böte sich für Vizekanzler Spindelegger die Gelegenheit, ultimativ eine Klärung von Faymann zu fordern. Heimliches Hinausekeln aus den Unis ist jetzt Regierungsprogramm. Aber für feiges Herumdrücken werden Politiker und Wahlkämpfer nicht belohnt.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2012)

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