Keine Geschenke für griechischen Gast

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Premier Samaras zieht ohne Zusagen aus Berlin ab. Der erhoffte Aufschub wäre de facto ein drittes Hilfspaket, das 72 Prozent der Deutschen ablehnen. Auch für die CDU hat ein „Grexit“ den Schrecken verloren.

Berlin. Antonis Samaras kam mit leeren Taschen und ging mit leeren Händen. Zum Nachtisch gab es Karamelleis mit Zwetschken. Dass dem griechischen Premier sein Mittagessen im Berliner Kanzleramt nicht allzu sehr im Magen lag, dafür sorgte Angela Merkel bei der anschließenden Pressekonferenz. Die deutsche Kanzlerin sprach den erlösenden Satz: „Wir wollen, dass Griechenland in der Eurozone bleibt.“ Ein Satz, den sie am Vorabend auffällig vermieden hatte, als ihn Frankreichs Präsident Hollande bei der Vorabstimmung des Griechen-Besuchs in den Mittelpunkt seiner Ideen stellte.
So kann Samaras zu Hause wenigstens auf freundliche Worte verweisen, damit sein Bittgang nicht nach Niederlage schmeckt. Die Deutschen, versprach Merkel, werden alles tun, um den Griechen bei der Umsetzung ihrer Sparprogramme zu helfen – nicht bei ihrer Verschleppung, klang da mit. Von einem Aufschub beim Zeitplan der Konsolidierung, mit dem Samaras vor dem Besuch medial hausieren ging, war keine Rede.

Zu rasch haben die Deutschen seinen Trick durchschaut: Denn es geht dem Griechen ja nicht um ein paar Wochen, die Athen durch die beiden Wahlkämpfe für dringend nötige Reformen verloren hat. Er will die Sparprogramme und Defizitziele gleich um zwei Jahre verschieben, von 2014 auf 2016. Das aber, rechneten Ökonomen flugs nach, würde bis zu 50 Milliarden Euro kosten. Damit ist die ersehnte „Luft zum Atmen“ nichts anderes als ein drittes Hilfspaket – und das ginge nicht mehr durchs deutsche Parlament, zumal schon stattliche 72 Prozent der Bürger weitere Hilfen ablehnen.

Zeit ist also Geld, hier mehr denn je, wie Volker Kauder bemerkte. Der Unionsfraktionschef schoss den Griechen aber noch viel kräftiger vor den Bug: Für die Währungsunion wäre es kein Problem, wenn Griechenland die Eurozone verlässt. Wie rasch sich die Zeiten ändern: Noch vor wenigen Wochen hatte FDP-Chef Philipp Rösler kräftig Prügel – auch aus der CDU – bezogen, als er feststellte, ein möglicher „Grexit“ habe „seinen Schrecken verloren“.

Kein Ausstieg ohne ESM


Kauders Begründung, die er mit regierungsnahen Ökonomen teilt: Die Ansteckungsgefahr für Spanien und Italien sei heute weit geringer als noch vor zwei Jahren, weil es ja jetzt die Rettungsschirme gäbe. Doch die sind unsicherer denn je: Erst am 12. September wird das deutsche Verfassungsgericht über das Schicksal des ESM entscheiden. Bis dahin dürften sich die Politiker also mit allzu plastischen „Grexit“-Visionen zurückhalten. Und erst der Bericht der Troika in der zweiten Septemberhälfte wird Klarheit über die neuen Ausmaße des griechischen Finanzdebakels schaffen.

Dennoch verwundern Meldungen nicht, wonach eine Arbeitsgruppe im Finanzministerium schon eifrig an Szenarien für einen nicht allzu schmerzlichen Griechen-Ausstieg bastelt. Denn die Schlinge um das Land zieht sich immer enger zu. Den Anfang machte der Internationale Währungsfonds, der mit einem Stopp der nächsten Tranche im Oktober drohte. IWF-Chefin Lagarde steht unter Druck: Noch nie hat der Fonds einem so kleinen Land so viele Mittel geliehen – mit so deprimierenden Ergebnissen.Fällt der IWF aus, käme noch ein Schuldenschnitt der Europäischen Zentralbank infrage. Zwar ist die EZB mit ihrer Idee von Zinsobergrenzen gerade dabei, alle Prinzipien einer unabhängigen Geldpolitik über Bord zu werfen. Aber vor einer Abschreibung griechischer Anleihen schreckt sie zurück. Das würde sich nicht nur in der Bilanz sehr hässlich ausmachen. Es wäre auch zu offensichtlich eine monetäre Staatsfinanzierung, die ihr laut Statuten verboten ist.

Bleiben die Eurostaaten – und hier sieht Zahlmeister Deutschland die Grenze dessen erreicht, was wirtschaftlich und wahlkampftaktisch vertretbar ist. Samaras konnte sich also nicht mehr von seinem Besuch erwarten. Am heutigen Samstag wird er noch bei François Hollande vorstellig werden. Vielleicht wird er vom  „Good Cop“ der neuen, noch brüchigen deutsch-französischen Achse mehr freundliche Worte ernten, womöglich auch ein voreiliges Ja zu einem Aufschub. Doch solange Deutschland hart bleibt, dräut am Horizont die Drachme.

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