Unwürdiges Warten auf das Ende der "Financial Times Deutschland". Während viele Medien vom Aus der Wirtschaftszeitung sprechen, hält sich Gruner+Jahr bedeckt. Freitag wird eine Entscheidung erwartet.
Sie ist dann also doch wieder erschienen. Der britische „Guardian“ hat spekuliert, dass die „Financial Times Deutschland“ („FTD“) bereits am Mittwoch zum letzten Mal gedruckt werde. Eine treue Leserin brachte daraufhin Kuchen ins Hamburger „FTD“-Büro – „zum Durchhalten“ für die nächsten Tage.
Während andere Medien, wie die stets gut informierte „FAZ“, bereits berichten, die „FTD“ werde am 7. Dezember zum letzten Mal erscheinen, hielt sich der Verlag Gruner+Jahr (G+J) mit einer Bestätigung zurück. Mittwochabend sagte einer der Konzernsprecher noch, der Aufsichtsrat habe zugestimmt, „Verkauf, Teilschließung oder Schließung der Wirtschaftsmedien vorzunehmen“.
Donnerstagabend teilte dann ein Unternehmenssprecher von Gruner+Jahr mit, dass die Verkaufsverhandlungen mit einem potenziellen Investor abgebrochen worden seien. Man habe dem „dort dargestellten Fortführungsszenario weder konzeptionell noch wirtschaftlich folgen können“, so der Sprecher. Damit sei mit einer Schließung der FTD zu rechnen.
Dass die neue Vorstandschefin Julia Jäkel erst heute vor die Redaktion treten will, soll laut „Spiegel Online“ auch daran liegen, dass man mit der Bekanntgabe der Einstellung die aktuelle Tageszeitungsproduktion nicht gefährden wolle. Am Samstag erscheint die „FTD“ ohnehin nicht. In Deutschland hat, ausgelöst durch die Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“ und der Nachrichtenagentur DPAD, eine Debatte über die Gründe der Zeitungskrise im Allgemeinen und die der „FTD“ im Besonderen begonnen.s
Deutsche Zeitung für deutsche Aktionäre
„Die ,FTD‘ wurde gestartet, bevor der Mehrheit der Akteure klar wurde, dass das kostenfreie Angebot im Internet eine existenzgefährdende Bedrohung für Tageszeitungen sein würde“, sagt Thomas Klau zur „Presse“. Er leitet heute das Pariser Büro des European Council on Foreign Relations und war 2000 einer der „FTD“-Mitgründer.
Das Gründungsteam hatte damals hohe Ziele: „Man meinte nach dem Aktienmarktboom, dass in Deutschland eine Aktionärskultur nach englischem Vorbild entstehen würde – und dass die Tageszeitung das primäre Medium zum Verständnis der Aktienkurse sein würde.“ss-7;0 Eine deutsche Zeitung für den deutschen Aktionär – und eine, die mit lieb gewonnenen deutschen Zeitungspraktiken aufräumen wollte: „Wir dachten, dass man im deutschen Journalismus innovieren könnte. Indem man in Wahlkämpfen Partei ergreift und Wahlempfehlungen abgibt, meinungsfreudiger, reaktiver, manchmal auch aggressiver wird. Man wollte das Beste vom angelsächsischen Journalismus importieren, so auch den unsignierten Meinungsartikel, der die Expertise der Redaktion widerspiegelt“, erinnert sich Klau.
Der Plan, sich die Auslandskorrespondenten mit der englischen „FT“ zu teilen, scheiterte rasch, da sich die deutsche Nachrichtenkultur von der britischen unterscheidet. „Die ,FTD‘ war dadurch genötigt, weitgehend ihr eigenes Korrespondentennetz aufzubauen.“ Können sich Zeitungen noch eigene Korrespondentennetze leisten? Klau „Die empirische Evidenz sagt: leider nein.“ Obwohl der Bedarf nach Information aus anderen Ländern wächst, könnten es sich selbst die großen Medien nicht mehr leisten, ihn zu decken. Ein Problem, das viel zu wenig diskutiert werde: „Wie sollen Entscheidungsträger gute Entscheidungen treffen, wenn sie über die Presse nicht mehr gut genug informiert werden?“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2012)