Der frühere Agrarkommissar kritisiert die Bundesregierung wegen unterschiedlicher Positionen im EU-Budget-Poker. Fischler verteidigt die relativ hohen Ausgaben für die Landwirtschaft .
Wien/Wb. Die Europäische Union könnte sich einen Streit unter Nettozahlern künftig ersparen. Davon ist der langjährige Agrarkommissar Franz Fischler überzeugt. Sie müsste dafür aber eine alternative Finanzquelle schaffen. „Das heißt, dass es eine Europasteuer geben muss.“ Zwar sei bereits vor sieben Jahren vereinbart worden, das EU-Haushaltssystem zu reformieren. „Leider ist das aber nicht geschehen“, so Fischler im Gespräch mit der „Presse“. Ganz im Gegenteil: Die 27 Regierungen hätten in diesen sieben Jahren der EU neue Aufgaben übertragen und seien nun nicht bereit, die Finanzierung dafür bereitzustellen.
Fischler verteidigt die relativ hohen Ausgaben für die Landwirtschaft und verweist darauf, dass sie trotz Erweiterung nicht entsprechend angehoben wurden. Kritik übt er aber am Fehlen einer Deckelung der Zahlungen für Großbetriebe. Das System der Betriebsprämien habe zwei Komponenten: Mit der einen werden die Umweltleistungen der Landwirtschaft abgegolten. Die andere sei eine soziale Komponente. „Und genau diese soziale Komponente rechtfertigt es nicht, dass große Betriebe gleich behandelt werden wie kleine.“ Hier argumentiere auch Großbritannien völlig widersprüchlich: „London will die Agrarausgaben kürzen. Wenn es aber darum geht, bei den Großen zu beginnen, ist Großbritannien der größte Bremser.“
Kontraproduktiv hält Fischler, der sich in der Demokratieplattform „MeinOE“ engagiert, die in der Öffentlichkeit ausgetragenen Kontroversen zum EU-Budget unter den Regierungsparteien. „Es bringt immer eine Schwächung der Verhandlungsposition, wenn aus einem Mitgliedstaat unterschiedliche Haltungen kommen. Das schadet Österreich.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)