Nach der exzessiven Gewalt durch die Polizei verlangt Ägyptens Opposition die sofortige Entlassung des zuständigen Ministers.
Ein neuer Fall exzessiver Polizeigewalt sorgt bei Ägyptens Opposition für Empörung und lässt die Forderung nach einer neuen Regierung lauter werden. Der prominente liberale Politiker Eiman Nur, der - im Gegensatz zu den übrigen bekannten Oppositionsführern - am nationalen Dialog von Präsident Mohammed Mursi teilnimmt, forderte am Samstag die sofortige Entlassung des Innenministers. Mursi ließ über seinen Sprecher seine Bestürzung bekunden.
Ägyptische Fernsehsender hatten gezeigt, wie Polizisten bei den Ausschreitungen vor dem Präsidentenpalast einen Mann auszogen und brutal zusammenschlugen. Dem privaten Fernsehsender Al-Nahar sagte Nur am Samstag: "Es gibt keine Rechtfertigung für ein solches Verhalten. Ich kann nicht glauben, dass das nach der Revolution in Ägypten noch passiert."
"Schockierende Bilder"
Mursis Sprecher Jasser Ali betonte, es schmerze den Präsidenten, solche schockierenden Bilder zu sehen. Dieses Vorgehen von Polizisten sei mit der Menschenwürde unvereinbar. Er hob zugleich hervor, dass es sich um Einzelfälle handele, die untersucht und geahndet werden würden.
Vor gut einem Jahr hatte in Ägypten ein ähnlicher Fall für Empörung gesorgt. Damals - als noch der Militärrat regierte - wurde im Internet ein Video veröffentlicht, das zeigte, wie eine Demonstrantin von Soldaten brutal verprügelt und entblößt wurde, so dass ihr BH zu sehen war.
Ausschreitungen verurteilt
Präsident Mursi und die Muslimbruderschaft verurteilten derweil die jüngsten Ausschreitungen vor dem Präsidentenpalast. Der Sprecher des Staatsoberhauptes forderte nach Angriffen mit Brandsätzen auf den Amtssitz Mursis am Freitagabend die politischen Gruppen auf, die Krawalle zu verurteilen. Die Partei der Muslimbruderschaft warf der oppositionellen Nationalen Rettungsfront vor, die Gewalt legitimiert zu haben.
Er verwies insbesondere auf Aufrufe des Friedensnobelpreisträgers Mohammed ElBaradei über den Kurznachrichtendienst Twitter zum friedlichen Protest. "Wie sollen die, die ihre eigenen Anhänger nicht im Griff haben, ein Land regieren?" fragten die Islamisten mit Blick auf die Oppositionsforderung nach einer Regierung der nationalen Einheit. Bei den Ausschreitungen am Freitag in Kairo wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums ein Mensch getötet und 102 verletzt.
Für Aufregung sorgt seit den Unruhen ein Video, auf dem die Misshandlung eines Demonstranten durch mehrere Polizisten zu sehen sein soll. Das mutmaßliche Opfer Hamada Saber lag am Samstag im Spital.
Demonstranten in Kairo bewarfen am Samstag die Autokolonne des ägyptischen Ministerpräsidenten Hisham Kandil mit Steinen und Flaschen. Der Vorfall ereignete sich nach Angaben des privaten Fernsehsenders Dream Live, als der Konvoi auf den Tahrir-Platz fahren wollte. Nach dem Angriff habe Kandil den Ort verlassen.
Derweil wurde der in Ägypten verhasste langjährige Innenminister unter Präsident Husni Mubarak, Habib al-Adli, zu drei Jahren Haft verurteilt. Der Ex-Minister habe Polizisten in seinen Privatfirmen arbeiten lassen, berichtete das Staatsfernsehen. Al-Adli sitzt bereits eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Korruption ab und wartet gemeinsam mit Mubarak auf ein neues Verfahren wegen der Mitschuld am Tod von mehr als 800 Demonstranten bei den Massenprotesten im Arabischen Frühling.
(APA/dpa/AFP/Reuters)