Das Casino Zögernitz in Döbling gilt als „gemauertes Symbol der Welthauptstadt der Musik“. Nun erstrahlt es in neuem Glanz.
Könnten die Mauern des Casino Zögernitz reden, sie hätten viel zu erzählen: Etwa von rauschenden Bällen, Festen und Konzerten. 1840 etwa wurde in dem am 21. Juni 1837 eröffneten Biedermeierjuwel Joseph Lanners Walzer „Die Romantiker“ uraufgeführt. Johann Strauß Sohn ließ im Casino Zögernitz am 28. Mai 1848, mitten in der Revolution, erstmals seinen Walzer „Freiheits-Lieder“ erklingen, gefolgt vom „Revolutions-Marsch“. Im Ersten Weltkrieg wurde das Casino schwer in Mitleidenschaft gezogen, aber in den 1920er-Jahren im Altwiener Stil wieder aufgebaut. Im Zweiten Weltkrieg feierten zuerst Russen und dann Amerikaner ihre Siegesfeste in den ehrwürdigen Mauern. Danach kehrten wieder der Wiener Fasching, Bälle, Kränzchen, Sommerfeste oder Versammlungen politischer Parteien in die Räumlichkeiten zurück.
Und auch renommierte Musiker, wie Nikolaus Harnoncourt mit seinem „Concentus Musicus“, waren an der Adresse zu finden: Ab den 1960er-Jahren wurde der Strauß-Saal im Casino, der über eine herausragende Akustik verfügte, über 25 Jahre von der Teldec Schallplatten GmbH für Tonaufnahmen klassischer Musik genutzt. Im Zuge mehrerer Eigentümerwechsel, zuletzt verbunden mit mehreren Jahren des Leerstands, fielen der historische Altbau und das gesamte Grundstück in einen Dornröschenschlaf. Das ist nun vorbei: Nach viereinhalb Jahren Sanierung strahlt es in neuem Glanz.
Fund unter zehn Farbschichten
„Es war ein langer, spannender Weg“, fasst es Hermann Rauter, der das Areal 2009 erworben hat, zusammen. Allein die originalgetreue Wiederherstellung der historischen Schablonenmalereien aus dem 19. Jahrhundert hätten zweieinhalb Jahre gedauert. „Sie waren unter zehn Farbschichten verborgen, aber trotzdem konnten 99 Prozent wiederhergestellt werden.“ Dabei habe er lang nicht den Wert dieser historischen Malereien verstanden, gesteht Rauter. Herzstück des Casinos sind das 80 m2 große Oktogon sowie der einzige erhaltene, 350 m2 große Strauß-Saal.
Hinter den historischen Wänden wurde modernste Heiz-, Kühl- und Lüftungstechnik verbaut, die Wärme und Kälte wird von der Wärmepumpe in der benachbarten Energiezentrale geliefert. Die großen Fenster lassen nun wieder wie früher viel Tageslicht in den Saal. „Die größte Herausforderung beim Altbau war, so gut wie möglich auf den Bestand zu reagieren und gleichzeitig einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen“, erzählt Rauter, der in diesem Zusammenhang dem Denkmalamt Rosen streut. „Ich bin sehr dankbar, dass dieses immer wieder die Sprache des Denkmals gesprochen und nicht den Architekten nachgegeben hat.“ Die Frage nach den Kosten beantwortet er so: „Ich habe bei 6,5 Millionen Euro aufgehört zu zählen. Das war vor eineinhalb Jahren“.
Es sei ihm wichtig gewesen, das Bauwerk so zu renovieren, dass es dastehe wie einst. Daher wurden die im Laufe der Zeit hinzugefügten Trakte entfernt und der Originalzustand wiederhergestellt. Nicht zuletzt hat das Casino wieder seine ursprüngliche Funktion erhalten, nämlich ein vielseitiger Ort der Unterhaltung zu sein. Und so sind hier nicht nur ein Restaurant mit 500 m2 großem Gastgarten mit altem Baumbestand und historischen Brunnen, sondern auch ein Veranstaltungsbereich sowie ein Konzertsaal, Garderobenräume sowie ein Museumsshop zu finden. „Am 23. September wird auch das Strauß-Museum eröffnet“, erzählt Rauter. Auf 2000 m2 wird anhand der Familie Strauß erzählt, warum Wien früher die Welthauptstadt der Musik war – und es heute noch ist.
Zwei Räume im ersten Stock des Casinos werden dabei eine Doppelfunktion erfüllen: Einerseits dienen sie als klassische Ausstellungsfläche, andererseits finden in ihnen aber auch echte Meisterklassen statt, bei denen die Besucher den Künstlern lauschen können. „In einer der Meisterklassen wird der Originalflügel von Eduard Strauß, dem letzten Musiker der Dynastie, Verwendung finden.“
Zum Ort
Döbling ist seit 1892 der 19. Wiener Bezirk. Wohnungen kosten zwischen 5800 (Bestand) und 8300 Euro/m2 (neu).
Jubiläum
Welche Zukunft haben Liberalismus und Meinungsfreiheit? Diese Frage stellte sich im Revolutionsjahr 1848, als „Die Presse“ erstmals erschien. Und sie stellt sich heute mehr denn je. In unserem Schwerpunkt zum Jubiläum blicken wir zurück und nach vorne.
>> Hier geht es zu den Geschichten der Jubiläumsausgabe
>> Bestellen Sie ein Exemplar der Jubiläumsausgabe im Presse-Shop