Nato-Blockade

Erdoğan macht Weg für Schwedens Nato-Beitritt frei

Ein klärendes Gespräch in Vilnius: Erdogan, Stoltenberg, Kristersson.
Ein klärendes Gespräch in Vilnius: Erdogan, Stoltenberg, Kristersson.Imago / Henrik Montgomery/tt
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Schweden erklärt sich zu einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit bereit und sagt der Türkei zu, eine Wiederbelebung des auf Eis liegenden EU-Beitrittsprozesses aktiv zu unterstützen. Wieso die Verknüpfung von Schwedens Nato-Aufnahme mit Türkeis EU-Beitritt ein unrealistischer Versuch war, Ankara aus der Isolation zu führen.

Lang hat sich die türkische Führung mit ihrer internationalen Isolation abgefunden und sogar daraus Vorteile zu ziehen versucht. Doch nun wollte Türkeis Staatspräsident, Recep Tayyip Erdoğan, auf erpresserischem Weg doch noch den Beitritt seines Landes in die EU erzwingen. „Ich wende mich an jene, die die Türkei seit 50 Jahren vor der Tür der Europäischen Union warten lassen.“ Bevor er der Aufnahme Schwedens in die Nato zustimmen werde, müsse deshalb das Tor für sein Land in die EU geöffnet werden, forderte er vor Beginn des Nato-Gipfels in Vilnius, bei dem Stockholm einen Durchbruch für seine Aufnahme in das Militärbündnis erhofft hatte. Es war ein Versuch, den von einer großen Mehrheit der Türken erwünschten EU-Beitritt mit Brachialmethoden durchzusetzen. Und es war ein Schwenk in seiner Argumentation: Denn bisher hat Erdoğan als Hauptgrund für seine Blockade von Schwedens Nato-Beitritt das aus seiner Sicht unzureichende Vorgehen Stockholms gegen „Terrororganisationen“ wie die PKK genannt.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg startete unmittelbar vor dem Gipfel einen letzten Vermittlungsversuch, die Aufnahme Schwedens zu ermöglichen. Mit Erfolg: Der türkische Präsident gab seine Blockade zum Nato-Beitritt Schwedens auf. Bei dem Gespräch mit Erdoğan und Schwedens Ministerpräsident, Ulf Kristersson, kam es doch noch zu einem Durchbruch, wie Stoltenberg am späten Montagabend auf Twitter mitteilte, er sprach von einem historischen Schritt.

Kristersson stimmte schließlich einer umfangreichen Erklärung zu. Schweden verpflichtet sich demnach, einen Plan für die Terrorismusbekämpfung vorzulegen. Damit reagiert das Land - zusätzlich zu bereits erfolgten Schritten - auf den Vorwurf der Türkei, nicht ausreichend gegen „Terrororganisationen“ wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorzugehen.

Zudem erklärt sich Schweden unter anderem zu einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit bereit und sagt der Türkei zu, eine Wiederbelebung des auf Eis liegenden EU-Beitrittsprozesses aktiv zu unterstützen. Gleiches gilt für die Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion und Visumfreiheit für türkische Staatsbürger, die ebenfalls seit Jahren nicht vorankommen. Wenige Stunden zuvor hatte Erdogan die Zustimmung seines Landes zur Aufnahme Schwedens überraschend davon abhängig gemacht, dass der vor Jahren auf Eis gelegte Prozess zum EU-Beitritt der Türkei wieder aufgenommen wird.

EU will Beziehungen mit Türkei in Schwung bringen

EU-Ratspräsident Charles Michel, der bei dem Treffen in Vilnius ebenfalls anwesend war, teilte daraufhin mit, die Beziehungen mit der Türkei wiederbeleben zu wollen. Er habe mit Erdogan „Möglichkeiten erörtert, die Zusammenarbeit der EU und der Türkei in den Vordergrund zu rücken und unsere Beziehungen wieder in Schwung zu bringen“, schrieb Michel.

Ein großes Vorhaben, denn die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU, die 2005 offiziell begonnen haben, liegen seit 2018 auf Eis. Sie wurden, obwohl dies vom Europäischen Parlament eingefordert wurde, allerdings nie offiziell abgebrochen. In den vergangenen Jahren betonte die Führung in Ankara mehrfach, dass sie sich nun in ihrer eigenen Region orientieren werde, da es in Brüssel keinen Fortschritt gebe. Dieser Stillstand hing allerdings weniger mit dem wachsenden Unwillen von mehreren EU-Regierungen zusammen, die sich offen gegen eine Aufnahme des Landes aussprachen, sondern vielmehr vor allem mit dem mangelnden Reformwillen in Ankara sowie der provozierten Eskalation mit ­türkischen Gasbohrungen vor der zypriotischen Küste. 2018 hat der Rat der EU (EU-Regierungsvertreter) denn auch festgestellt, dass sich die „Türkei weiter von der EU entfernt hat und dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei daher praktisch zum Stillstand gekommen sind“.

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