Diplomatie

„Die EU braucht die Türkei“

Türkischer Finanzminister Şimşek auf Salzburger Summit plädiert für neuen Anlauf zur EU-Integration. Und Kanzler Nehammer warnt Europa vor wirtschatlichen „Utopien“.

Salzburg. Die Türkei drängt selbstbewusst und mit frischem Elan in die Europäische Union. Die brauche die Türkei genauso wie die Türkei die EU brauche, erklärte der neue türkische Finanzminister, Mehmet Şimşek, am Donnerstag beim Salzburg Summit, den die Industriellenvereinigung unter der Schirmherrschaft von EU-Budgetkommissar Johannes Hahn am Rande der Festspiele veranstaltet.

Wenn die EU eine relevantere Rolle auf der globalen Bühne spielen wolle, könne sie die Türkei nicht ignorieren, erklärte der frühere Banker von Merrill Lynch. Denn die Türkei sei nicht nur eines der stärksten Nato-Mitglieder und eine Brücke zum muslimischen Nahen Osten, sondern werde auch ein wichtiger Energieknotenpunkt bleiben. Şimşek grub die alten Argumente für einen EU-Beitritt aus, als hätte sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan in den vergangenen Jahren mit seinem autoritären Kurs nicht sukzessive von europäischen Werten abgewendet. Angesichts wirtschaftlicher Verwerfungen sucht die Türkei derzeit verzweifelt nach Investoren.

Der Präsident des World Economic Forum, Børge Brende, plädierte unterdessen für mehr Optimismus in Europa. Um die EU könne es nicht so schlecht bestellt sein, wenn Moldau, die Ukraine, die Türkei und viel andere an die Tür klopften. 

Georg Knill, der Präsident der Industriellenvereinigung, richtete einen Weckruf an Europa. Die Europäische Union müsse strategische Autonomie anstreben, Genehmigungsverfahren beschleunigen und strategische Partnerschaften mit anderen Weltregionen eingehen. Vor allem aber brauche Europa eine Industriepolitik, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. EU-Budgetkommissar Hahn kritisierte, dass manche EU-Staaten immer noch viel zu abhängig von russischem Gas seien.

Nehammer warnt vor Dogmen

Am Nachmittag ergriff Bundeskanzler Karl Nehammer das Wort. Es reiche nicht, bloß europäisch zu denken. Europa müsse analysieren, was im Rest der Welt vorgehe, und massiv darauf achten, in keinen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zum Rest der Welt zu geraten. Es dürfe daher keine Denkverbote und Dogmen in der EU geben. Der Wohlstand auf dem Kontinent beruhe auf Arbeit, nicht auf Zufall, sagte Nehammer und wandte sich gegen aktuelle sozialdemokratische Vorschläge zur Verkürzung der Arbeitszeit. „Europa muss künftig als Markt für Innovation wahrgenommen werden, nicht als Freiluftmuseum für Utopien.“

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