Lifestyle: Die Entdeckung der Literatur

Vorbei die Zeit, als Lifestylemarken nur mit Künstlern kooperierten: Nun kommen auch Schriftsteller zum Zug.

Die Literatur erschließt sich ihren Rezipienten nicht ganz so unmittelbar, wie es die bildende Kunst tut, von der sich ja ein (freilich grober) Gesamteindruck „auf einen Blick“ gewinnen lässt. Der literarische Text hingegen macht eine intensivere, weil längerwährende Art der Auseinandersetzung erforderlich.

Diese vergleichsweise Sperrigkeit – und natürlich die Priorität von allem „Beschaubaren“ im Sinne der dominanten Visual Culture – mag einer der Hauptgründe dafür sein, dass die Literatur im Rahmen allgegenwärtiger Kooperationsprojekte zwischen dem Luxus-Lifestyle und der Kulturproduktion bislang noch nicht zum Zug gekommen ist. Damit ist es aber nun vorbei, denn das notorisch schöngeistige Maison Louis Vuitton machte mit dem Traditionsverlag Gallimard gemeinsame Sache und gab bei einer Reihe französischer Gegenwartsschriftsteller Texte mit Kofferbezug in Auftrag.

Marie Darieussecq
Marie Darieussecq(c) beigestellt

Ausgangspunkt dieser Arbeiten waren von Gaston-Louis Vuitton in den Zwanziger- und Dreißigerjahren gesammelte Zeitungsausschnitte („faits divers“) oder Anekdoten aus der Firmengeschichte. Diese skurrilen, bisweilen gar blutrünstigen Begebenheiten sollten verarbeitet werden. Zum Zug kamen insgesamt elf Autoren, darunter etwa Marie Darieussecq, die dank ihres Bestseller­romans „Schweinerei“ auch einem deutschsprachigen Publikum bekannt sein dürfte. Sie nahm sich des Falles einer unter mysteriösen Umständen verschwundenen Vuitton-Kundin an, strickte aus diesem Verschwinden einen mit vagem Unbehagen aufgeladenen Science-Fiction-Text. Das Ohnmachtsgefühl der erzählenden Protagonistin bedingt in ihrem Text „Sur Europe“ wachsendes Unbehagen, bis hin zum etwas abrupten Ende.

Fast erstaunlich ist das Auftauchen von Virginie Despentes unter den Vuitton-Autorinnen, gilt Despentes doch als Verfasserin von einigermaßen verstörender Popliteratur, die zumeist in der Pariser Lesbenszene angesiedelt ist und (ob ihrer Unverblümtheit und Aggressivität) phasenweise an Texte von Houellebecq, Beigbeder oder des weniger bekannten Guillaume Dustan erinnert. Dass Despentes den Fall eines mit blutenden Leichenteilen gefüllten Koffers nacherzählt, ist also stimmig. Auch aus Perspektive des Auftraggebers natürlich, solange ein Gepäckstück eine Hauptrolle spielen darf.

TIPP

„The Trunk“ oder, auf Französisch, „La Malle“ ist in zwei Sprachen bei Gallimard erschienen und über Vuitton-Boutiquen zu beziehen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Mode

Hosenanzug: Skandalös, oder doch ganz brav?

Er provozierte Skandale, brach mit Normen und steht
heute oft für normierte Biederkeit: der Hosenanzug.
Schmuck

Smaragd: Grüne Diva

Smaragd wurde von Pantone zur Farbe des Jahres gewählt. Raumausstatter haben es damit schwerer als Juweliere: Die schöpfen aus dem Vollen.
BB-Creams

Bi-bi-Bingo


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.