Rote Mobilmachung: Verteidiger des Gemeindebaus

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Werner Faymann schwor die Wiener SPÖ auf den Wahlkampf ein - Michael Häupl überließ ihm die Bühne. Inhaltlich dominierte der ÖVP-Vorstoß zum Wohnen. Faymann will die Zweckwidmung der Wohnbauförderung fixieren.

Rust. Es war gut, dass das Motto der SPÖ-Klubklausur groß auf der Leinwand stand: „Wien. Österreich. Europa. Sozial und gerecht gestalten“. Denn zwischendurch hatte man eher den Slogan eines schwedischen Möbelherstellers im Kopf „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ Denn der ÖVP-Vorstoß zum Thema Wohnen diktierte die Tagesordnung in Rust und offenbar wusste man nicht, wie man reagieren sollte. Böse sein auf die (Bundes-)ÖVP, weil sie ein SPÖ-Thema „gestohlen“ hat? Oder es als Chance sehen?

Hauptredner Kanzler Werner Faymann entschied sich für ein Mittelding – Ironie: Man begrüße, dass die ÖVP das Thema (spät, aber doch) entdeckt habe, auch wenn sie sich papstwahltechnisch keinen optimalen Zeitpunkt ausgesucht habe. Vor allem die Zweckwidmung der Wohnbauförderung wurde beklatscht – weil eine SPÖ-Idee, wie der Ex-Wiener-Wohnbaustadtrat Faymann betonte. Man werde überprüfen, wie ernst es die ÖVP meine: „Springt die ÖVP weg wie ein Tiger und kommt auf wie ein Bettvorleger, oder ist das eine Initiative, von der die Leute etwas haben?“ Faymann will, dass die Koalition einen Antrag zur Wohnbauförderung im Parlament einbringt. Seine – bald fünf – Landeshauptleute seien für eine Zweckbindung. Eine Absage erteilte er, wie erwartet, der ÖVP-Idee, alle zehn Jahre Gemeindebaumieter zu kontrollieren, ob sie mehr als erlaubt verdienen – mit der Folge, dass sie einen Aufpreis zahlen oder die Wohnung zurückgeben müssen.

Verteidiger des Gemeindebaus

Das schade der sozialen Durchmischung, außerdem wundere er sich, dass gerade die ÖVP, die bei der Vermögensteuer vorm „Schnüffeln“ gewarnt habe, Leute „sekkieren“ wolle. (Warum die SPÖ selbst das hier schlimm, bei der Vermögenssteuer aber gut findet, verriet er nicht) Stattdessen sollten Besserverdiener einfach mehr Steuern zahlen. Überhaupt: „Was ist mit den vielen Villenbesitzern, die eine Wohnbauförderung für ein Haus bekommen haben und ein paar Jahre später das Haus doppelt so groß gebaut haben? Wann geben die die Wohnbauförderung etaws zurück?“ Die SPÖ werde die „500.000 Mieter im Gemeindebau“ jedenfalls „verteidigen“.

Apropos Mieter: Auch Folgeredner Michael Häupl kam am Thema nicht vorbei. Ein Treppenwitz für die Wiener Grünen, deren Klub parallel zur SPÖ in Hainburg tagte. Die Grünen wollten eine Mietfrage bei der Volksbefragung, die SPÖ lehnte ab. Offizielle Begründung: Die Stadtverfassung erlaube keine Abstimmung über Bundesmaterie. Inoffiziell hieß es, die SPÖ wolle keine Debatte über „teure Mieten in Wien“. Häupl als Vertreter der „Mieterpartei“ (Copyright: Wohnbaustadtrat Michael Ludwig) forderte die Unterbindung „willkürlicher“ Zuschläge zum Richtwertzins und die Reduzierung befristeter Mietverträge. Weitere Forderungen formulierte Wohnbaustadtrat Ludwig: Die Finanzministerin soll Kasernengrundstücke nicht versteigern, sondern zur Schaffung von Wohnraum an die öffentliche Hand weitergeben; die seit Jahren eingefrorene Wohnbauförderung soll erhöht werden.

Und sonst? Abseits von Wohnen? Ging es am Tag eins in Rust um Mobilisierung für den Wahlkampf: Faymann betonte rote Kernwerte, die Wichtigkeit des Arbeitnehmerschutzes. Gegen prekäre Arbeitsverhältnisse zu kämpfen sei „ureigenste Aufgabe“ der Sozialdemokratie. In Österreich und der EU. „Wie will man die Menschen von Demokratie überzeugen, wenn sie keine Arbeit haben oder von Arbeit nicht mehr leben können?“ Wer Demokratie wolle, müsse sich von „neoliberalen Konzepten“ verabschieden.

Gewerkschaft umgarnen

Adressiert war das an die für die Mobilisierung wichtige Gewerkschaft. Der Lohn folgte umgehend: Alle – vom neuen AK-Chef Rudolf Kaske über den alten Herbert Tumpl bis zum ÖGB-Chef Erich Foglar – versicherten, im Wahlkampf für Faymann „zu laufen“. Auch von der SJ und dem Verband der sozialdemokratischen Wirtschaft kamen Engagementzusagen. Wien werde den Bund nicht im Stich lassen und anders als – kleiner Seitenhieb – die Genossen in Niederösterreich zusammenstehen. Oder beiseitestehen? Häupl verhielt sich auffallend unauffällig: Während Faymann seine Rede wahlkämpferisch anlegte, war die des Bürgermeisters, höflich formuliert, nüchtern. Sachlich wurden die Herausforderungen eines wachsenden Wiens beschrieben, die Volksbefragung wurde abgehakt, auch die Zusammenarbeit mit Rot-Grün im Rapportstil zusammengefasst. Sie sei „sehr o. k.“. Was weder bei Häupl noch bei Faymann fehlte: der „Tagesordnungspunkt“ Abgrenzung von der FPÖ. Wohnen hin oder her – so sehr kann Spindelegger die SPÖ auch nicht aus dem Konzept bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2013)

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