Die Freiheitlichen und das „freie Mandat“

Eine Partei wie die FPÖ lebt von Führerfiguren, die Machtkämpfe, die sie anzetteln, auch gewinnen. Es ist kein Unglück, dass das nicht immer funktioniert.

Es ist nicht immer ganz leicht, den Wählerwillen richtig zu interpretieren. Einen Schluss lässt das Ergebnis der Kärntner Landtagswahl vom 3.März aber zu: Als Landeshauptmann wollten die Kärntner Gerhard Dörfler offensichtlich nicht mehr. Als Landtagsabgeordneten hingegen schon. Dörfler hat im Wahlkreis Kärnten West ein Direktmandat errungen. Dasselbe gilt übrigens auch für Harald Dobernig und Hannes Anton in deren Wahlkreisen.

Für die FPK und die mit ihr (noch) verbündete FPÖ mag dies ein Problem sein, für die Demokratie ist es keines. Welche persönlichen Motive die FPK-Dissidenten für ihr Festhalten an den Mandaten auch immer haben mögen – ihren Wählern eine Freude zu machen, die eigenen Pensionsansprüche oder einfach nur einen ganz gut bezahlten Job–, konsequent zu Ende gedacht, wäre es sogar wünschenswert, würde dies Schule machen. Denn in Sonntagsreden ist ja oft und gern vom „freien Mandat“ die Rede. Der Wunsch nach einem personenbezogenen Wahlrecht ist seit einigen Jahren der letzte Schrei weit über die Wiener Politzirkel hinaus. Also warum nicht aus der Not (der FPK) endlich eine Tugend machen?


Es ist nichts Ungewöhnliches, dass es gerade jene Parteien, die auf eine starke Führerfigur angewiesen sind, leicht zerbröselt, wenn diese wegfällt. Wir erleben dies nun in Kärnten mit einigen Jahren Zeitverzögerung. Bei der Landtagswahl 2009 hat die Strahlkraft des verstorbenen Jörg Haider noch ausgereicht, dass sich fast halb Kärnten noch einmal hinter dessen Partei versammelt hat. Gerhard Dörfler hat(te) diese nicht. Zu Jörg Haider konnten und wollten die Kärntner aufblicken und waren dann ganz angetan, wenn er ihnen auf Augenhöhe begegnete (beziehungsweise ihnen das Gefühl vermittelte, dass es so sei). Bei Gerhard Dörfler – mehr oder weniger einem von ihnen – konnten und wollten sie das nicht mehr.

Und auch der Opportunismus scheint rund um den Wörthersee ganz gut zu gedeihen. Dieselben Menschen, die jahrelang begeistert bei der Haider-Partei ihr Kreuzerl gemacht haben, zeigen sich nun ganz erleichtert, dass dessen und von seinen Erben fortgeführtes Regime nun endlich zu Ende ist. Selbst dem Wahlsieger und künftigen Landeshauptmann, Peter Kaiser, dürfte dies bewusst sein, hat er doch unlängst bei einer Veranstaltung scherzhaft angemerkt, die Kärntner SPÖ sollte nun eine Aufnahmesperre verhängen.

Ohne historisch allzu sehr ins Detail zu gehen: Der Wähleraustausch zwischen sozialdemokratischem und freiheitlichem Lager in Kärnten ist schon sehr prägend für dieses Land. Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte die SPÖ, in der auch viele ehemalige Nationalsozialisten Unterschlupf fanden. In den vergangenen Jahren durften dann die Freiheitlichen dank roter Wechselwähler ihre Allmachtsfantasien ausleben.


Heute bringen sie nicht einmal mehr einen Landtagsklub zusammen. Ihr ehemaliger Landeshauptmann ist nun „wilder Abgeordneter“. Der neue Parteichef, Christian Ragger – auch er war, nicht zu vergessen, „part of the game“ im System Haider –, steht vor einem Scherbenhaufen. Er hat sich auf einen Machtkampf eingelassen und diesen nicht gewonnen.

Ein Szenario, das Heinz-Christian Strache bekannt vorkommen dürfte. Er konnte weder in Niederösterreich noch in Kärnten seine personalpolitischen Vorstellungen durchbringen. Was ihm allerdings zugutezuhalten ist: Er hat nicht alle Haider-Methoden übernommen. Dieser hätte in derselben Situation schon längst jemanden mit der „seidenen Schnur“ losgeschickt. In puncto Skrupellosigkeit steht Strache Haider schon noch um einiges nach.

Und auch wenn Heinz-Christian Strache in vielen Belangen nur bedingt mit Jörg Haider zu vergleichen ist: Würde Strache an der Spitze der Bundes-FPÖ wegfallen, es würde dieser ähnlich ergehen wie der Schwesterpartei in Kärnten. Denn hinter Strache ist weit und breit kein potenzieller Nachfolger in Sicht. „An Bessern kriag ma nimma“ ließ einst Jörg Haider plakatieren. Das gilt heute auch für die Strache-FPÖ. Sofern man die Partei auf der rechtspopulistischen Schiene halten will.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2013)

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