Vier Jahre hat Amerikas Präsident Israel gemieden. Den Politikern misstraut er– der Jugend aber will er eine Botschaft der Hoffnung bringen.
Washington. Der Raketenschutzschirm, die Schriftrollen vom Toten Meer, das Grab von Theodor Herzl: Mit den Stationen seiner ersten Israel-Reise als amerikanischer Präsident versucht Barack Obama, die Zweifel an seiner Verbundenheit mit dem Judenstaat zu zerstreuen.
Im Gepäck wird er keine neuen Vorschläge für einen Frieden zwischen Juden und Arabern mitbringen, keinen Fahrplan für die Zweistaatenlösung. „Ganz ehrlich: Wir müssen uns erst mit der neuen israelischen Regierung beratschlagen, eine Bestandsaufnahme machen“, fasste Benjamin Rhodes, ein sicherheitspolitischer Berater Obamas, die Haltung des Weißen Hauses vergangenen Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten zusammen. Kein anderer ausländischer Gast war so oft wie Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei Obama geladen; abgrundtiefe höfliche Abneigung prägt das Verhältnis der beiden Staatsmänner.
Mit falschem Bart durch Tel Aviv
Doch auch abseits persönlicher Frequenzstörungen befindet sich der sogenannte Friedensprozess seit Jahren in einer Sackgasse. „Das scheint mir die beste Zusammenfassung zu sein: Es gibt Hoffnung, aber keine Chance“, schreibt Elliott Abrams, Nahost-Berater von Obamas Vorgänger George W. Bush, in seinem neuen Buch „Tested by Zion“. „Zumindest gibt es keine Chance für eine im diplomatischen Salon heraufbeschworene Zauberformel, die Jahrzehnte des Konflikts beenden wird.“
Und so wird sich Obama direkt an das israelische Volk wenden. Erstmals in der Geschichte wird ein amerikanischer Präsident die Knesset, Israels Parlament, meiden. Stattdessen wird er in einem nüchternen Veranstaltungszentrum eine Rede vor jungen Israelis halten. „Obamas größtes Publikum sind nicht die politischen Führer, sondern die Menschen in der Region“, kommentierte der Nahostexperte Robert M. Danin vom Council on Foreign Relations diese Entscheidung im „Presse“-Gespräch. „Es wäre also gut, wenn Amerika ihnen Hoffnung geben könnte. Ihre eigenen Führer können das nämlich nicht.“
Obama macht aus seiner Enttäuschung über den Unwillen der Politiker im Nahen Osten kein Geheimnis. „Manchmal stelle ich mir vor, dass ich eine Verkleidung anlegen könnte, einen falschen Schnurrbart, und durch Tel Aviv in eine Bar spaziere, um ein Gespräch zu führen, oder an die Universität gehe und ein paar Studenten in einem Rahmen treffe, der nicht so formell ist“, sagte er vergangene Woche im Interview mit dem israelischen Radiosender Channel 2. „Wir werden so viele Gelegenheiten wie nur möglich finden, damit ich direkt mit dem israelischen Volk in Kontakt treten kann.“
Raketen, Herzl, Rabin
Die sinnbildliche Auswahl seiner Besuchsorte soll diesen Umgang in ein Vertrauen betten, das man Obama in Israel nur zögerlich entgegenbringt. Gleich die erste Station ist eine Anlage des „Iron Dome“, jenes Raketenschilds, der Israel mit amerikanischer Hilfe vor Geschossen terroristischer Palästinenser schützt.
Die Besichtigung der Schriftrollen vom Toten Meer im Israel-Museum soll zweitens zeigen, dass Obama die jahrtausendealte Anwesenheit der Juden in Palästina voll und ganz anerkennt. Nach seiner viel beachteten Kairoer Rede vor knapp vier Jahren war Obama heftig dafür kritisiert worden, die Existenz Israels gleichsam nur als Folge der Shoa abzuleiten.
Die Andacht am Grab von Theodor Herzl, dem einstigen Feuilleton-Chef der „Neuen Freien Presse“ und geistigen Vater des Zionismus, ist drittens als Geste gegen jene Aussage des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdoğan gedacht, der den Zionismus unlängst als „Verbrechen gegen die Menschheit“ verunglimpft hat. Dass Obama gleichzeitig auch die letzte Ruhestätte des von einem fanatischen jüdischen Siedler erschossenen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin aufsuchen wird, ist als Verneigung vor dessen Bemühungen um einen Frieden mit den Arabern zu verstehen.
Den Abschluss im Westjordanland bei der Geburtskirche in Bethlehem am Freitag darf man viertens als diskrete Verneigung vor den Palästinensern deuten, wie Herb Keinon in der „Jerusalem Post“ anregt: Schließlich sei dieser Ort, an dem der Überlieferung nach Jesus zur Welt gekommen ist, die erste Stätte des Weltkulturerbes, welche die Unesco als „palästinensisch“ katalogisiert hat.
Nur ja keinen Angriff auf den Iran
Zumindest eine klare politische Botschaft wird Obama sehr wohl in Jerusalem hinterlegen: nämlich jene, dass Israel nur ja nicht den Iran militärisch angreifen soll. In diplomatische Worte gehüllt fasste der Präsidentenberater Rhodes dies folgendermaßen: „Der Präsident hat mehrfach klargemacht, dass wir alles tun werden, um den Iran vom Bau einer Atomwaffe abzubringen. Und das umfasst sowohl nicht militärische als auch militärische Optionen. Wir sind aber auch der Ansicht, dass es am besten wäre, diese Frage friedlich zu lösen.“
Auf einen Blick
US-Präsident Barack Obama besucht ab Mittwoch Israel, das palästinensische Westjordanland und Jordanien. Es ist seine erste Israel-Reise, seit er Anfang 2009 ins Weiße Haus gezogen ist.
Scharfe Kritik fing er sich nach seiner Rede in Kairo im Juni 2009 ein. Er habe die jahrtausendelange Anwesenheit der Juden in Palästina nicht gewürdigt, wurde ihm vorgeworfen. Solche Dissonanzen will er nun glätten. Vor allem aber will er an die Jugend Israels und Palästinas appellieren, sich für den Frieden zu engagieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2013)