Obama-Visite: Polit-Tourist im Nahost-Minenfeld

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Beim ersten offiziellen Besuch des US-Präsidenten in Israel stand die gesamte Nahost-Strategie auf dem Prüfstand: vom Irak über Syrien zum Iran.

Sternenbanner und Davidstern wölbten sich in der Frühlingsbrise, hunderte Fahnen säumten den Weg vom Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv hinauf ins kaum eine Stunde entfernte King-David-Hotel in Jerusalem, wo der Staatsgast aus Washington in den kommenden Tagen standesgemäß logieren wird. Symbolik bestimmt die erste offizielle, lang erwartete und oft eingemahnte Israel-Visite des US-Präsidenten Barack Obama – unmittelbar nach dem zehnten Jahrestag des Beginns des „ungeliebten“ Irak-Kriegs, den George W. Bush als eine erste Stufe einer Demokratisierungs-Dominotheorie im Nahen Osten konzipiert hatte.

Obamas Redenschreiber flochten ein paar Höflichkeitsfloskeln auf Hebräisch ein. Zur Demonstration der Solidarität inspizierte der Präsident noch am Flughafen den „Iron Dome“, eine von den USA finanzierte Abwehrstellung gegen die Raketen aus dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen.

Zu Beginn seiner ersten Amtszeit hatte Obama den Nahost-Frieden als Priorität postuliert und George Mitchell, den Nordirland-Troubleshooter, sogleich zum Sonderbotschafter nominiert. Mitchell gab das Sonderkommando längst zermürbt auf, und Obama gestand in einem Interview seine politische Naivität in Sachen Nahost ein. In einer Art Goodwill-Tour will er es jetzt sowohl Israelis als auch Palästinensern recht machen – und er hat dabei das richtige Timing verpasst. Er hat beide Seiten gegen sich aufgebracht, selbst in der Bevölkerung hat er ein Gutteil seines Kredits verspielt, vielfach schlägt ihm nur noch Häme entgegen.

Nahost-Diplomatie als Hobby

Die Nahost-Diplomatie sei von einer Notwendigkeit zu einem „Hobby“ verkommen, analysierte neulich Thomas Friedman in seiner viel beachteten Kolumne in der „New York Times“. „Mister Obama könnte der erste amtierende US-Präsident sein, der Israel als Tourist besucht“, notierte er süffisant. Tatsächlich habe Obama, so streuten es seine Berater im Vorfeld, keine Friedensinitiative in petto. Sie schraubten die ohnehin niedrigen Erwartungen hinunter: Er komme lediglich zum Zuhören.

Zu oft hatte ihn die Netanjahu-Regierung im Disput um einen Siedlungsstopp brüskiert, und auch jetzt urgierten Mitglieder der neuen Regierungskoalition Netanjahus den Ausbau der jüdischen Siedlungen rund um Jerusalem. Die neue Justizministerin, Tzipi Livi, zugleich Sonderbeauftragte für die Friedensgespräche mit den Palästinensern, ist somit von Anfang an desavouiert. Im israelischen Wahlkampf hat der Konflikt ohnedies kaum eine Rolle gespielt. Dass Obama allerdings hinter verschlossenen Türen Israels Premier, Benjamin Netanjahu, und dem Palästinenser-Präsidenten, Mahmoud Abbas, ins Gewissen reden würde, ist geradezu eine Verpflichtung.

Womöglich, so die Spekulation, kann er einen Deal erzwingen: Unterstützung gegen die atomare Bedrohung aus dem Iran im Tausch für Konzessionen in den stillgelegten Verhandlungen mit den Palästinensern. Israel, der Iran, die Nachwehen des Arabischen Frühlings beim Verbündeten Ägypten und anderswo – und dazu mischen sich der eskalierende Bürgerkrieg in Syrien und die zunehmende Zahl der Forderungen nach einer US-Intervention, zuletzt bekräftigt durch den republikanischen Senator John McCain angesichts jüngster widerstreitender Berichte über den Einsatz von chemischen Kampfstoffen: All dies nahm den US-Präsidenten außenpolitisch voll in Beschlag.

„Verdrängter“ Irak-Krieg

Stunden vor seinem Abflug sah sich Obama gezwungen, anlässlich des zehnten Jahrestages des Beginns des Irak-Kriegs eine Stellungnahme abzugeben. Er erinnerte an die 4500 toten US-Soldaten.

Der Jahrestag des „ungeliebten“ Krieges, von Obama stets als „dumm“ abqualifiziert, wird in den USA nur als Randnotiz registriert – sehr zur Enttäuschung der von Arbeitslosigkeit frustrierten Veteranen. Die Veteranenverbände hofften bis dato ja vergeblich auf eine nachträgliche Konfettiparade, eine Jubelfeier wie zu Ende des Ersten oder Zweiten Weltkriegs.

So sang- und klanglos das letzte US-Kampfkontingent im Dezember 2011 aus dem Irak abzog, so sehr negiert das offizielle Washington nun den „verdrängten“ Krieg. Die Experten der Thinktanks erörtern da und dort die Lektionen oder breiten sich in den Gastkommentarseiten der Zeitungen aus, und in den Talkshows debattieren die Meinungsmacher über die Fehler des US-Journalismus. Howard Kurtz, der renommierte ehemalige Medienreporter der „Washington Post“, attackierte seine Branche wegen der allzu großen Nähe zur Regierung George W. Bushs, der Insiderberichte aus den Couloirs der Macht und der Manipulationen, denen die Qualitätsblätter aufgesessen seien.

Nur vereinzelt melden sich noch die „Falken“, die neokonservativen Kriegstreiber um den früheren Vize-Verteidungsminister Paul Wolfowitz, zu Wort. Diplomatisch erklärte Ex-Pentagon-Chef Robert Gates, erst in zehn oder 20 Jahren würde sich mit Bestimmtheit sagen lassen, ob der Krieg ein Fehler gewesen sei. Er musste damals das Debakel ausbaden.

Auf einen Blick

Israels Präsident, Schimon Peres, und Premierminister Benjamin Netanjahu empfingen am Mittwoch US-Präsident Barack Obama zu seinem ersten offiziellen Besuch im Land. Am heutigen Donnerstag reist Obama nach Ramallah zu einem Treffen mit der Palästinenser-Führung. Programmierter Höhepunkt ist eine Rede vor Jugendlichen in Jerusalem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2013)

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