Und ewig lockt der Streckenrekord

Die Siegerzeit beim Vienna City Marathon obliegt nicht nur der Form der Topathleten, sondern auch dem Geschick des Rennleiters. Der Deutsche Mark Milde weiß um diese Anforderungen bestens Bescheid, er zieht auch seit Jahren in Berlin die Fäden und ist für drei Weltrekorde mitverantwortlich.

Mit Henry Sugut und Gilbert Yegon sind der Sieger und der Zweitplatzierte des Vorjahres wieder am Start des Vienna City Marathons. Sie verstehen einander blind, kennen einander auswendig – denn die beiden Kenianer sind auch Trainingspartner. Sie machen sich heute (ab neun Uhr, ORF eins) Platz eins wieder untereinander aus. Stören könnte dieses Stallduell mit Jafred Kipchumba nur ein weiterer Kenianer.

Kipchumba hat sein Marathondebüt 2009 – in Wien – gegeben und hält seit 2011 als Gewinner von Eindhoven bei einer persönlichen Bestzeit von 2:05:48 Stunden. Bei der 30. Auflage des Laufklassikers könnte also erneut der Streckenrekord geknackt werden. Sugut triumphierte im Vorjahr in 2:06:58 Stunden. Kipchumba ist um mehr als eine Minute schneller unterwegs als er – sofern das Wetter wirklich mitspielt.

„Wir werden uns gegenseitig helfen“, erklärt Sugut die Marschroute. „Wenn sich einer zu müde fühlt, wird er den anderen ziehen lassen. Wenn sich beide stark fühlen, kämpft am Ende jeder für sich selbst!“


Ein Berliner in Wien. Damit es so weit kommen kann und die 30. Jubiläumsauflage auch mit einer Bestzeit gekrönt wird, nimmt der Deutsche Mark Milde wieder im Wagen des Renndirektors Platz. Ein weißer BMW, auf dem Dach die tickende Uhr – und Milde wird fortlaufend Durchgangszeiten und Anweisungen in sein Mikrofon brüllen. Dass es dabei mitunter auch etwas härter zugehen kann, also rauere Töne fallen, sollten Tempo und Spur nicht passen, versteht sich von selbst.

Milde und seine Familie sind seit Jahrzehnten auch für den Berlin-Marathon verantwortlich. Er kennt seit 1999 als Rennsportchef in Berlin alle Stars der Szene, deren Manager, und seitdem er auch mit VCM-Organisator Wolfgang Konrad zusammenarbeitet, sind auch Stars wie Haile Gebrselassie oder Paula Radcliffe in Wien kein Wunschdenken mehr, sondern Realität.

Kipchumba, 29, ist so ein Fall. Er hat wegen einer Verletzung im Vorjahr kein Rennen bestritten, fühlt sich aber als starker Herausforderer. Ihn hat Mark Milde daher besonders auf der Rechnung. „Vieles klingt verheißungsvoll, wir sind guter Stimmung und zum Jubiläum zuversichtlich, dass besondere Zeiten gelaufen werden können“, erklärt der Renndirektor. Für die Spitzengruppe sind vier erfahrene Tempomacher vorgesehen, nach derzeitigem Stand sollen sie eine Halbmarathonzeit von 63:30 Minuten anpeilen. „Das Feintuning erfolgt nach der aktuellen Wettervorhersage.“ Der Deutsche weiß, wovon er spricht. In Berlin wurden seit 2003 die IAAF-Weltrekorde von Paul Tergat, Haile Gebrselassie und Patrick Makau Musyoki (2:03:38; 2011) aufgestellt. Freilich, Wien und der Streckenverlauf sind anders – diese Zeit unerreichbar. Unter 2:06 Stunden wäre, auch aus internationaler Sicht, eine wirklich beachtliche Siegerzeit.


Haile, die Äthiopierin. Bei den Damen trägt Kebebush Haile einen klingenden Namen, die Äthiopierin ist „glücklich“, etwas mit Lauflegende Haile Gebrselassie, der heute zum dritten Mal in Folge den Halbmarathon in Wien bestreiten wird, gemeinsam zu haben. Sie ist 27, ihre Bestzeit von 2:24:09 hat sie 2011 in Shanghai aufgestellt.

Nicht nur bei den Herren, sondern auch überwiegend im Damensektor bestimmen die Äthiopierinnen das Marathon-Geschehen. Tiki Gelana ist Olympiasiegerin, und Laufstar Tirunesh Dibaba soll eines Tages den Weltrekord der Britin Paula Radcliffe (2:15:25) unterbieten. Kebebush Haile möchte sich mit einer starken Zeit in Wien jedenfalls für das Aufgebot bei der Leichtathletik-WM in Moskau im August empfehlen. Die Kraft dafür hat sie – 2011 ist sie bei vier Bewerben über die ominösen 42,195 Kilometer angetreten und hat drei davon gewonnen.

Schon vor dem Startschuss ist der 30. Jubiläumsauflage in Wien jedenfalls bereits ein Rekord gewiss. Über 41.000Starter, und damit so viele wie nie zuvor, nehmen die Strecke quer durch Wien in diversen Bewerben in Angriff. Vor allem eine Zahl ist dabei imponierend: Mit über 28.600 gemeldeten Sportlern aus Österreich ist die Zahl der heimischen Teilnehmer so groß wie noch nie. Eine Metropole ohne Marathon ist undenkbar. Aber ein Marathon ohne Lokalmatadore ist auch nur der halbe Spaß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2013)

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