Gesundheitsreform sorgt für Schreiduelle im Nationalrat

Gesundheitsreform sorgt fuer Schreiduelle
Gesundheitsreform sorgt fuer Schreiduelle(c) APA
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FPÖ und BZÖ ziehen über die Einsparungsvorhaben her. Die SPÖ zeigt sich fassungslos "über so viel Blödheit auf einmal".

Der Nationalrat hat heute mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen nach langen zähen Verhandlungen die Gesundheitsreform beschlossen. Zuvor haben FPÖ, BZÖ und Team Stronach wilde Attacken gegen das Vorhaben geritten. Die Freiheitlichen brachte zudem wie angekündigt einen - mittlerweile abgeschmetterten - Misstrauensantrag gegen SP-Gesundheitsminister Alois Stöger ein, weil dieser die Kritik des Rechnungshofs (RH) nicht aufgegriffen habe.

--> Details der Gesundheitsreform

Die Debatte über die Reform, mit der 3,4 Milliarden bis zum Jahr 2016 eingespart werden sollen, verlief emotional und war vor allem zu Beginn von Schreiduellen gekennzeichnet. Der Zweite Nationalratpräsident Fritz Neugebauer (ÖVP) versuchte als Vorsitzender zu kalmieren. "Es gehen so viele wertvolle Zwischenrufe verloren, wenn sie auf einmal erfolgen", so seine ironische Ermahnung an die Abgeordneten.

"Auch noch Leichentuch einsparen"

Den Anfang machte FP-Ärztesprecher Andreas Karlsböck, der Stöger gleich einmal vorwarf, im Gesundheitsministerium die Formel "Grüß Gott" untersagt zu haben. Auch mit ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf legte er sich an. Keineswegs verbreite er Angstparolen der Ärzteschaft, so Karlsböck in dessen Richtung. "Sie sagen, wir wollen mit dem Leichentuch wacheln. Ich sage, Sie wollen auch noch das Leichentuch einsparen."

Inhaltlich verwies der FP-Mandatar auf den RH-Bericht zur Reform, in dem Zweifel an der Sicherstellung der Patientenversorgung und einer nachhaltigen Finanzierung geäußert worden seien. "So etwas ist mir noch nicht untergekommen, dass der Rechnungshof ein Gesetz derart zerlegt hat." Außerdem bedeute die Bindung der Kostensteigerung an das Wirtschaftswachstum eindeutig eine Leistungsreduktion.

Höchst negativ fiel auch das Urteil von Wolfgang Spadiut (BZÖ) aus. "Diesen Gesetzesentwurf als Reform zu bezeichnen, fällt mir wirklich schwer", sagte er und verwies auf die nicht erfolgte Zusammenlegung der Sozialversicherungen oder die versäumte Finanzierung aus einer Hand. Die Ärzte würden in der Patientenbetreuung eingeschränkt, Leistungen heruntergeschraubt, und Selbstbehalte blieben erhalten. Ähnlich sah das Robert Lugar vom Team Stronach. Die Probleme seien bekannt, sie anzugehen traue sich aber niemand.

"So viel Blödheit einmal"

Für die SPÖ zeigte sich Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser in Richtung Karslböck fassungslos über "so viel Blödheit auf einmal". Sie hielt der FPÖ gescheiterte Minister der Ära Schwarz-Blau vor, unter Stöger seien dagegen die Kassen saniert und eine Gesundheitsreform geschafft worden, "wo sich Minister davor die Zähne ausgebissen haben". Der Minister verdiene dafür Hochachtung und nicht einen Misstrauensantrag. Auch Stöger selbst verteidigte seine Reform: Mit der Novelle werde Sicherheit geschaffen für die Menschen, dass das solidarische Gesundheitssystem weiterentwickelt und für die nächsten Generationen abgesichert werde, sagte der Ressortchef im Plenum des Nationalrats. Auch verhindere man mit der Reform, dass es zu Leistungseinschränkungen im Gesundheitssystem kommt.

Einigermaßen zufrieden zeigte sich auch ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, selbst Arzt und lange ein Kritiker der Reform. Er sprach von einem Kompromiss und freute sich auf die gemeinsame Planung des stationären und ambulanten Bereichs. "Die Zeit der Ausreden, wo jeder auf den anderen gedeutet hat, ist vorbei." Wichtig sei nun, den Spitalssektor tatsächlich zu reduzieren und den niedergelassenen Sektor auszubauen.

Grüne Zustimmung "ohne Euphorie"

Nationalrat beschließt Gesundheitsreform

Der Grüne Gesundheitssprecher Kurt Grünewald kündigte Zustimmung "ohne breitem Lächeln oder große Euphorie" an. Die Ziele seien gut, die Umsetzung lasse aber Skepsis zu. Die Kritik des RH sei berechtigt, liege aber am Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Ländern. "Dass ein Gesundheitsminister das nicht derhupft, wäre auch für den Rechnungshof voraussehbar gewesen." Der Nationalrat beschließt heute die von Bund, Ländern und Sozialversicherung paktierte Gesundheitsreform. Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Planung und Steuerung von Arztpraxen und Spitälern. Das soll die Kosten dämpfen, und zwar um 3,4 Milliarden Euro bis 2016. Zur Umsetzung werden Zielsteuerungskommissionen auf Länder- und Bundesebene geschaffen.

Am Programm der Nationalratssitzung stehen am zeutigen Freitag auch Erleichterungen für Selbstständige sowie Bürokratieabbau bei Firmengründungen und Betriebsanlagengenehmigungen. "Public Viewings" etwa in Gasthäusern sollen damit ohne Genehmigungen auskommen.

(APA)

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