Warum nicht Juniorkanzler statt Juniorpartner?

Die ÖVP hat auf dem Papier die Chance, als Nummer eins durchs Wahlziel zu gehen. Verhindern kann das am besten die Partei, die an Siege nie recht glauben wollte.

Was ist die beste Methode, einen ÖVP-Anhänger zum Lachen zu bringen? Einfach einen Witz über die Wiener Landespartei zu reißen. Sebastian Kurz kennt seine Partei und begann am Mittwoch seine Rede daher mit der Erzählung über seinen Einstieg in die JVP in Wien. Als er sich bei der Bezirksgruppe Meidling bewarb, wurde ihm beschieden, doch noch ein paar Jahre zu warten, bis er alt genug sei, in den exklusiven Zirkel aufgenommen zu werden. Er wartete nicht, heute ist er Staatssekretär und Hoffnungsträger seiner Partei.

Und nicht nur das: Der Vorredner Michael Spindeleggers – der VP-Chef nützte seine wirtschaftspolitische Rede an die ÖVP-Nation zu einem Wahlkampf-Frühstart – war der eigentliche Star in der Wiener Hofburg. Die Partei liebt den jungen Staatssekretär, der fast ohne jeden Politsprech ein Plädoyer für eine starke Veränderung und Öffnung der Politik und der Parteien für Junge hielt. Kurz hat auch in verblüffender Klarheit der Partei gesagt, in der die Beamtengewerkschaft traditionell die starke Rolle spielt, dass „wir alle länger werden arbeiten müssen“. Und dass man solche Wahrheiten auch und gerade im Wahlkampf formulieren sollte. Nun, Michael Spindelegger sagte das dann aber so nicht. Wohl erklärte er, dass das Land weitere Reformen – auch im Pensionsbereich – notwendig habe. Aber ganz konkrete Kampfansagen in Richtung des sozialdemokratischen Sozialministers wagte er auch wenige Monate vor der Wahl nicht. Aber immerhin: Das Wort Privatisierungen kommt endlich wieder flüssig über die Lippen eines ÖVP-Obmanns. (Aber wer erfindet solche Sätze: „Die Zukunft braucht Freunde, die an sie glauben“?)

Und ja, auch das Bekenntnis zu Leistung, entsprechender Bezahlung und weniger Staat klingt vernünftig. Allein: Was hat die ÖVP eigentlich gehindert, das Land massiv in diese Richtung zu verändern? Die Partei ist seit 1986 als einzige Parlamentspartei ununterbrochen in der Regierung. Stellt auch als Juniorpartner Finanz- und Wirtschaftsminister. Das Wehklagen über die „sozialistischen Gewerkschafter“ zeigt das Grundproblem, das die ÖVP bisher und vermutlich auch in den kommenden Monaten daran hindern wird, zur Nummer eins aufzusteigen: Der Partei fehlt in letzter Konsequenz die Selbstsicherheit, die Siegesgewissheit und wohl auch der Siegeswille. Da helfen laute Trommeln nicht, die von jungen Discobuben mit schlechten Tattoos und Sonnenbrillen malträtiert werden. Auch das ein traditionelles Defizit der Lichtenfelsgasse: Was jung, urban und zeitgemäß ist, versteht man woanders besser.

Die Parteifunktionäre müssten rennen und laufen – nicht Haltungsnoten für den Obmann und seine Minister vergeben. In vielen Anläufen ist es nicht gelungen, eine SPÖ mit Stimmenmehrheit von Platz eins zu verdrängen. Wolfgang Schüssel gelang das nur am Verhandlungstisch mit der FPÖ. Aber auch er war vorher an Franz Vranitzky gescheitert, ebenso wie Josef Taus, Josef Riegler, Erhard Busek und Wilhelm Molterer keine Chance gegen die SPÖ hatten. Fast verständlich, dass sich die Partei daher mehr darauf konzentriert, als Juniorpartner möglichst viel (personalpolitischen) Einfluss auszuüben, als das Kanzleramt zu erobern. Denn tatsächlich war die Situation immer gleich: Ein ÖVP-Spitzenkandidat trat gegen einen amtierenden SPÖ-Kanzler an, der dann doch immer eine Spur überzeugender seine Rolle spielte als der Herausforderer. Am Schluss entschieden übrigens meist die Wiener und Senioren Wahl und Vorsprung der SPÖ. Und genau deswegen schreckt Spindelegger vor wirklich harten Ansagen über ein höheres Pensionsantrittsalter oder gar Kürzungen zurück. Sebastian Kurz sagt das schon.

Vielleicht wäre das die bessere, auf jeden Fall aber die spannendere Variante: Michael Spindelegger bleibt Parteichef, der junge Kurz führt die Partei als Spitzenkandidat in die Wahl. Platz zwei scheint dabei das größte Risiko zu sein. Das wäre ein Signal der Erneuerung, ein klares Zeichen an ein junges Österreich. Und ein nicht sehr zarter Hinweis, dass Österreichs Ewigpolitiker Faymann, Spindelegger und Strache ganz schön alt aussehen.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

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