AUA-Rechtsstreit kann noch Jahre dauern

AUA Rechtsstreit
AUA Rechtsstreit (c) Michaela Bruckberger
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Der Ausgang ist unvorhersehbar, das ist beiden Seiten im Streit um den AUA-Betriebsübergang klar. Das könnte die Chancen für neue Verhandlungen erhöhen.

Wien. Man sei vor einer Klippe gestanden, mit der Chance auf bloß einen Sprung. „Also sind wir gesprungen.“ So schildert ein AUA-Insider die Entscheidung für den umstrittenen Flugbetriebsübergang auf die Tyrolean.

Der Sprung ist noch nicht vorbei, man weiß nicht, wie die Landung ausfallen wird. Der jüngst ergangene OGH-Beschluss im anhängigen Rechtsstreit brachte nicht die erhoffte Klarheit, sondern verlagerte den Fall zum EuGH („Die Presse“ berichtete). Ein wesentlicher Teil des Sanierungspakets, das Konzernchef Jaan Albrecht der Airline verordnet hat, ist damit weiterhin in Schwebe. Gut 220 Millionen Euro pro Jahr soll es der angeschlagenen Airline bringen, rund 40Millionen macht der Personalbereich aus.

Bei der AUA gibt man sich überzeugt, im Recht zu sein: Einen Plan B gebe es nicht, ließ Albrecht schon bei der Bilanzpräsentation für 2012 verlauten. Dem Vernehmen nach gibt es nach der Prolongation des Rechtsstreits auch keine zusätzlichen Rückstellungen für den Fall eines Prozessverlusts. Mit einem Gerichtsentscheid ist nicht so bald zu rechnen: Ein bis eineinhalb Jahre werde das Verfahren vor dem EuGH schon dauern, meint Roland Gerlach, der in dem Streitfall die Gewerkschaft vertritt. Die Anwältin der Arbeitgeberseite, Katharina Körber-Risak, spricht gar von zwei bis drei Jahren.

Nach der Klärung der europarechtlichen Seite ist wieder der OGH am Zug und muss über den Feststellungsantrag der Gewerkschaft entscheiden. Konkret geht es darum, ob der – von der Arbeitgeberseite aufgekündigte – AUA-Bord-Kollektivvertrag auf die vom Betriebsübergang betroffenen Mitarbeiter „nachwirkt“. Was bedeuten würde, dass ihre alten Ansprüche trotz der Verlagerung zur Tyrolean (vorerst) weiter bestehen. Zusätzlich brachte der OGH auch die Frage ins Spiel, ob womöglich der – billigere – Tyrolean-KV nachwirken könnte. Dieser wurde von der Gewerkschaft gekündigt. Die dritte Variante wäre, dass jetzt eben gar kein KV gilt. Das ist die Position der Arbeitgeberseite.

Zweites Verfahren: Urteil ausständig

Zusätzlich wird aber auch noch über eine andere Frage gestritten, nämlich ob der Betriebsübergang überhaupt rechtens war. Formal ist das eine andere Baustelle: Ein Verfahren darüber lief vor dem Arbeits- und Sozialgericht. Es ist laut Gerlach seit Monaten abgeschlossen, das Urteil steht aber noch aus. Relevant wäre diese Entscheidung auch für etliche andere Konzerne, denn Ausgliederungen in Töchter mit billigeren Kollektivverträgen sind keine Seltenheit. Der OGH-Beschluss hat aber eine baldige Entscheidung in diesem zweiten Verfahren nicht wahrscheinlicher gemacht. Denn das Höchstgericht hielt dort auch fest, dass zuerst die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs bzw. der Kündigungen der Kollektivverträge zu klären seien, bevor man beurteilen könne, „ob rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitgebers vorliegt“.

Beim Thema Rechtsmissbrauch zeigt sich Körber-Risak gelassen: Gäbe es den, hätte man sich die Einschaltung des EuGHs überhaupt sparen können, meint sie. Das sieht die Gegenseite anders, einig sind sich beide Anwälte aber in einem Punkt: dass unvorhersehbar ist, wie der EuGH entscheiden wird. Er könnte den Ball auch wieder zurückspielen. „Oder er erklärt uns, wie es geht“, so Körber-Risak. „Dann wird es spannend.“ Die österreichische „Nachwirkung“ von Kollektivverträgen sei ein Spezifikum, wie sie europarechtlich einzuordnen sei, wisse man nicht.

Gerlach gibt sich vorsichtig optimistisch: Er fühle sich – aus Sicht der von ihm vertretenen Arbeitnehmerseite – „beim EuGH wohler als beim nationalen Gericht“. Die europäische Linie gehe eher in Richtung Beibehaltung der Standards. Tatsächlich verweist der OGH auf eine Entscheidung des EU-Gerichts, die darauf hinausläuft, dass ein Betriebsübergang nicht den Zweck haben darf, kollektive Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Der Sachverhalt, um den es da ging, war allerdings anders gelagert.

„Den Ball zurückholen“

Über noch einen Punkt herrscht Einigkeit: Besser als weiter zu streiten, wäre eine Lösung am Verhandlungstisch. „Nach dem Scheitern der ursprünglichen Gespräche wollten wir die Richter entscheiden lassen, aber jetzt müssen wir uns den Ball zurückholen“, so Konzernsprecher Peter Thier. Gesprächsbereitschaft gebe es auf beiden Seiten. Einfach an dem Punkt anzuknüpfen, an dem man seinerzeit zu verhandeln aufgehört hat, wird aber kaum möglich sein: Damals ging es auch um eine Abschlagszahlung, um den Mitarbeitern Abstriche beim KV zu versüßen. Das Geld dafür ist inzwischen weg, damit wurden die Abfertigungen an jene bezahlt, die das Unternehmen verlassen haben. „Rund 300 Leute haben sich entschlossen, zu gehen“, sagt Thier, die werde man kaum dazu bekommen, das rückgängig zu machen. „Die Uhr hat sich weitergedreht, es ist jetzt eine andere Situation.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2013)

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