EU lässt Beitrittsrunde mit Türkei platzen

Symbolbild EU-Beitritt der Tuerkei / Symbol photo EU accession of Turkey
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Wegen der aktuellen politischen Krise will Deutschland der für kommende Woche geplanten Konferenz nicht zustimmen, verlautete aus Ratskreisen.

Das umstrittene Vorgehen des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen regierungskritische Demonstranten hat nun auch Folgen für die EU-Ambitionen Ankaras. Wegen des "aktuellen politischen Klimas" in der Türkei will Deutschland einer für kommenden Mittwoch geplanten Beitrittskonferenz mit Ankara nicht zustimmen, verlautete am Donnerstagabend aus Ratskreisen in Brüssel.

Die Beitrittskonferenz am kommenden Mittwoch hätte eigentlich einen Durchbruch nach einem mehr als zwei Jahre dauernden Stillstand in den EU-Beitrittsgesprächen mit Ankara bringen sollen. Vorgesehen war die Eröffnung eines weiteren Verhandlungskapitels, nämlich zur Regionalpolitik. In den seit acht Jahren laufenden Verhandlungen wurden erst 13 von insgesamt 35 Kapiteln eröffnet, eines wurde vorläufig abgeschlossen.

Auch Niederlande mit Vorbehalt

Bei einem Treffen von EU-Diplomaten ließ Berlin am heutigen Donnerstag erkennen, dass es der Beitrittskonferenz nicht zustimmen werde. Auch die Niederlande hätten einen parlamentarischen Vorbehalt geäußert. Sollte Deutschland seinen Standpunkt nicht ändern, wird es am Montag in Luxemburg nur eine politische Diskussion der EU-Außenminister über die aktuelle Lage in der Türkei geben, hieß es.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte sich bereits Anfang der Woche kritisch zum harten Vorgehen der türkischen Behörden gegen Demonstranten geäußert. VP-Außenminister Michael Spindelegger sagte am Donnerstag im Rahmen eines Gipfels der Europäischen Volkspartei (EVP) in Wien, der Fortgang der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hänge "sehr davon ab, wie die türkische Regierung mit den Demonstranten umgeht".

Große Besorgnis in Österreich und Deutschland

Spindelegger berief sich dabei explizit auf die deutsche Kanzlerin, die ebenfalls am EVP-Treffen teilnahm. "Es gibt in Deutschland wie in Österreich große Besorgnis; die Demonstrations-und Meinungsfreiheit müssen hoch geachtet werden", betonte er. Zugleich erinnerte er an die Präferenz Deutschlands und Österreichs für eine "privilegierte Partnerschaft" mit der Türkei anstelle einer EU-Vollmitgliedschaft.

Merkel hatte den Begriff der "privilegierten Partnerschaft" noch als deutsche Oppositionsführerin geprägt, es dann aber als Regierungschefin unterlassen, die Beitrittsgespräche mit der Türkei zu bremsen. Sie hatte nämlich jeweils Koalitionspartner, die einen EU-Beitritt der Türkei befürworten. So sprach sich der deutsche Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle am Donnerstag dafür aus, die Kapitel Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit in den Türkei-Verhandlungen zu eröffnen. Allerdings ist dieses wegen des Zypern-Konflikts blockiert.

Kandidatenstatus seit 14 Jahren

Der Türkei war im Jahr 1999 der Status eines EU-Kandidatenlandes erteilt worden, die Beitrittsgespräche wurden im Jahr 2005 eröffnet. Österreich hatte damals eine Verschärfung der Verhandlungsbedingungen erzwungen und sich zugleich auf eine Volksabstimmung über den EU-Beitritt der Türkei festgelegt. In den vergangenen Jahren wurden die Verhandlungen vor allem vom Zypern-Konflikt überschattet. Brüssel legte mehrere Verhandlungskapitel auf Eis, weil Ankara sich weigert, die griechisch-zypriotische Regierung anzuerkennen.

Wegen des Umgangs der Regierung Erdogan mit der vor drei Wochen ausgebrochenen Protestwelle hatte es jüngst vermehrt Forderungen nach einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gegeben. In Österreich richteten FPÖ und BZÖ am gestrigen Mittwoch einen entsprechenden Appell an Brüssel. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Hannes Swoboda, kritisierte am Montag, dass Erdogan die Forderungen der EU-Volksvertretung ignoriere. Das "kann nur heißen, dass die Türkei nicht Mitglied der Europäischen Union werden will".

Türkischer EU-Minister: "Bursche, zieh Leine"

Die Türkei reagierte ungerührt auf die Kritik aus der Europäischen Union. EU-Minister Egemen Bagis sagte am Mittwoch, die Türkei sei nicht auf die Europäische Union angewiesen. "Wenn nötig können wir ihnen sagen: Bursche, zieh Leine", sagte Bagis.

Die Proteste gingen unterdessen weiter. Auf dem Taksim-Platz in Istanbul setzten am Donnerstag mehrere Dutzend Demonstranten ihren stillen Protest gegen die Regierung fort. Die Polizei war stark präsent und hatte Wasserwerfer in Bereitschaft. In Izmir nahmen Anti-Terror-Einheiten 14 Beschuldigte in Gewahrsam, denen Sachbeschädigung und Anstachelung zu Unruhen vorgeworfen werde, berichteten türkische Medien am Donnerstag.

(APA)

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