"ÖGB-Forderungen wie aus Zeitmaschine der 70er"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Christoph Neumayer kritisiert die beim ÖGB-Bundeskongress vorgestellten Ideen scharf. Neo-Politiker Frank Stronach sei durch seine gewerkschaftskritischen Äußerungen nicht zum "Freund" der Industriellen geworden.

Die Presse: Im ÖGB-Leitantrag gab es einige Pläne, die Arbeitgeber treffen würden, etwa eine Überstundenabgabe oder die „Fachkräftemilliarde“. Freuen sich die Mitglieder der Industriellenvereinigung schon darauf, mit neuen Abgaben so viel Gutes zu tun?

Christoph Neumayer: Die Freude wird begrenzt sein. Die ÖGB-Forderungen wirken wie aus einer Zeitmaschine aus den 1970er-Jahren. Die Menschen aber wollen einen Arbeitsplatz, von dem sie leben können, und eine gute Zukunft für ihre Kinder. Doch darauf gibt der Leitantrag keine Antwort.

Hat es nicht eine gewisse Logik, dass der ÖGB als Arbeitnehmervertretung eher die Arbeitgeber zur Kasse bitten will. Was würden Sie sich denn vom ÖGB erwarten, damit er „modern“ ist?

Es ist klar, dass jede Interessenvertretung ihre Mitglieder im Auge hat. Wenn aber ich eine Arbeitnehmerorganisation vertreten würde, würde ich nicht nur die Kernklientel vertreten. Sondern auch den Anspruch haben, Land und Wohlstand weiterzuentwickeln.

Noch einmal gefragt: Was sollte der ÖGB in Ihren Augen vorschlagen?

Sagen wir es so: Es sind auch einige positive – aber widersprüchliche – Ansätze in dem Leitantrag. Etwa das Bekenntnis zu einer starken Industrie oder dass Arbeit entlastet wird. Aber was macht der ÖGB auf der anderen Seite? Er will die Industrie im Land ausbauen – und bürdet gleichzeitig Unternehmern enorme Belastungen auf. Wir brauchen aber Strukturreformen etwa bei der Pension oder im Verwaltungsbereich. Aber dazu ist der ÖGB leider nicht bereit.

Gefordert wird von der Gewerkschaft auch die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Wäre es nicht gerecht, Erben und Schenkungen zu besteuern und Arbeit dafür zu entlasten?

Wir sind gegen die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen und für eine neue Steuerstruktur grundsätzlich. Derzeit wird es den Menschen schon schwer genug gemacht, bescheidenen Wohlstand zu schaffen, weil Arbeit sehr hoch besteuert wird. Dann darf der Staat nicht noch mal ins Tascherl greifen.

Aber die Steuer würde der Erbe oder der Beschenkte zahlen. Und nicht der, der Einkommensteuer geleistet hat.

Richtig. Aber es geht doch darum, bescheidenen Wohlstand erwerben zu können und möglichst viel an die Kinder weiterzugeben.

Das heißt, Sie sind generell gegen alle vom Gewerkschaftsbund vorgeschlagenen Abgaben ?

Ja. Solange kein glaubwürdiger Weg für strukturelle Einsparungen beschritten werden kann, ist ein Nachdenken über neue Steuern ein Irrweg.

ÖGB-Präsident Erich Foglar hat gesagt, der gewerkschaftskritische Frank Stronach sei ein „Gegner“. Ist Stronach dann e contrario Ihr Freund?

Das sehe ich nicht so, ich habe überhaupt nichts gegen Gewerkschaften, sie sind für uns ein wichtiger Partner. Wir wünschen uns allerdings, dass der ÖGB Zukunftspartner ist und nicht in der Vergangenheit denkt.

Wenn der ÖGB in Ihren Augen nicht zeitgemäß agiert: Gibt es eine Gewerkschaft in einem anderen Land, die Sie als Vorbild hervorheben würden?

Obwohl der jetzige Retro-Leitantrag wie aus einer Zeitmaschine geworfen ist, gibt es im ÖGB auch kluge Partner, die wissen, was Österreich wirklich braucht. Und im internationalen Vergleich schneiden die österreichischen Gewerkschaften passabel ab.

Zur Person

Christoph Neumayer(46) ist seit April 2011 Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Der Historiker ist seit 1997 für die IV tätig, zuvor war er Sprecher der ÖVP Wien sowie Journalist beim ORF. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2013)

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