Athens Koalition löst sich auf

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Konservative und Sozialisten regieren nun allein weiter. Nur ein Jahr nach den letzten Wahlen schlittert das Land erneut in Richtung politische Instabilität.

[Athen]Griechenlands Regierung ist in der Sackgasse: Donnerstagabend kündigte Fotis Kouvelis, Chef der gemäßigten Linkspartei Dimar, an, dass er die Regierungskoalition mit Konservativen (ND) und Sozialisten (Pasok) verlassen werde, einen Tag später bestätigten dies die Parteiorgane. Nur ein Jahr nach den letzten Parlamentswahlen schlittert das Land damit wieder in Richtung politische Instabilität.

Anlass für den Ausstieg der Linken war die Regierungskrise rund um die Auflösung der staatlichen Rundfunkgesellschaft ERT. Noch Mittwoch hatt es den Anschein gehabt, als könnte eine Übergangslösung gefunden werden, am Donnerstagabend jedoch riss Fotis Kouvelis das Ruder herum: Er bestand auf der Wiedereinstellung des gesamten entlassenen Personals von ERT bis zur Gründung eines neuen öffentlichen Rundfunksenders. Dem wollte die ND nicht zustimmen, sie sprach von einer Wiedereinstellung von bis zu 2000 der 2600 früheren Angestellten mit Werkverträgen. Sehr weit entfernt von der Position der Linken war das nicht - und eigentlich kein Grund, sich aus einer Koalition zurückzuziehen.

Doch Dimar ist tief verstört über die Vorgehensweise der Konservativen in dieser Angelegenheit. Der entscheidende Ministerratsbeschluss über den Gesetzesakt, mit dem man die Schließung von ERT einleitete, war in Abwesenheit der vier Minister der kleineren Parteien gefasst worden. Die Abschaltung des Funksignals wurde dann als bewusste Provokation verstanden, und die Verzögerung der Wiedereinsetzung der Programme nach der Entscheidung des höchsten Verwaltungsgerichtes verstärkte dieses Misstrauen gegen die große Regierungspartei und ihren Ministerpräsidenten Antonis Samaras weiter. Nur ein völliges Zurückstecken, nur eine völlige Rücknahme der handstreichartigen Abschaltung hätte Dimar zufriedengestellt.

Brüchige Zwei-Parteien-Koalition

Die gemäßigte Linke erreichte bei den letzten Wahlen im Juni 2012 6,3 Prozent der Stimmen, in Umfragen liegt sie im Moment bei etwa vier Prozent - die Hürde für den Einzug in das Parlament liegt bei drei Prozent, die Partei ist also in ihrer Existenz bedroht. Da scheint es attraktiv zu sein, sich wieder in die Opposition zurückzuziehen - und von Fall zu Fall mit der Regierung mitzustimmen, um sich verantwortungsvoll zu zeigen. Genau das jedenfalls beschloss die Parteiführung am Freitag.

ND und Pasok zusammen erreichten bei den letzten Wahlen 162 Sitze im Parlament, für eine Mehrheit benötigen sie 151 Stimmen. Doch eine Reihe von Abgeordneten hat sich bereits unabhängig gemacht, so verfügen die beiden Parteien zusammen nun nur noch über etwa 153 Sitze. Dass man mit dieser Abgeordnetenzahl die griechische Wirtschaft retten und reformieren kann, ist mehr als unwahrscheinlich. Unsicherheitsfaktor ist vor allem die schwer angeschlagene und tief gespaltene Pasok, die noch im März, kurz vor ihrem letzten Parteitag, vor der Auflösung stand. Parteichef Evangelos Venizelos konnte vorerst für Ruhe sorgen, aber die Umfrageergebnisse sind erschreckend. 2009 erreichte die Partei unter Georgios Papandreou noch 44 Prozent der Stimmen, im Juni 2012 lag sie bei 12,3 Prozent, laut Umfragen hat sie jetzt nur noch 6,4 Prozent der Wähler hinter sich. Pasok wird bei der zu erwartenden Regierungsumbildung nun mehr Verantwortung übernehmen - genau das haben innerparteiliche Kritiker gefordert.

Auch Antonis Samaras will weitermachen, wie er erklärte, es gelte, die Wirtschaft zu retten, nicht Wahlen abzuhalten. Er musste allerdings in den letzten Wochen schwere Rückschläge einstecken. Erst scheiterte die Privatisierung der Erdgasgesellschaft Depa, dann kam ihm, nicht zuletzt durch sein selbstherrliches Vorgehen im Fall ERT, ein Regierungspartner abhanden. Nun steht er vor den Scherben seiner Politik - die zuletzt immer mehr Züge von verzweifeltem Zweckoptimismus gezeigt hat.
Lachender Dritter ist Oppositionschef Alexis Tsipras von der Radikalen Linken (Syriza). Seine junge Partei hatte in letzter Zeit bereits Abnützungserscheinungen gezeigt - nun haben ihm seine Gegner wieder Aufwind verschafft.

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