Der Staatssender muss wieder in Betrieb gehen. Die Regierungskoalition ist angezählt, es schweißt sie nur noch die mangelnde Wählergunst zusammen.
Athen. Letztlich musste er doch klein beigeben. Griechenlands Ministerpräsident Antonis Samaras ist mit seinem harten Vorgehen beim staatlichen griechischen Rundfunk ERT teilweise gescheitert. Um die Koalition zu retten, muss die Ausstrahlung des öffentlichen Programms garantiert werden. Samaras, der sein hartes Durchgreifen unter Beweis stellen wollte, geht letztlich geschwächt aus dem Konflikt heraus.
Die Regierungskrise ist zwar durch einen Richterspruch leicht entschärft worden, der das Abschalten des Senders beeinspruchte. Aber sie ist nicht beigelegt. Am heutigen Mittwoch wird Samaras nochmals seine Partner Evangelos Venizelos von der sozialistischen Pasok und Fotis Kouvelis von der gemäßigten Linken treffen. Am Montag hatte man sich nicht auf eine einheitliche Linie zur Reform des staatlichen Rundfunks einigen können. Struktur und Größe der Übergangslösung, der die Konservativen nun zähneknirschend zustimmen müssen, blieben umstritten.
Der Richterentscheid lässt Spielraum für Interpretationen. Einerseits bestand das Gericht zwar auf der Ausstrahlung aller öffentlichen Programme, wie dies in der Verfassung vorgesehen ist. Andererseits aber segnete es die Auflösung der derzeitigen staatlichen Rundfunkgesellschaft ERT ab. Dieser Spielraum dürfte nun zu weiteren Kontroversen führen. Für Samaras ist die Wiederausstrahlung auch ohne oder nur mit Teilen des entlassenen ERT-Personals (2600 Angestellte) möglich. Die gemäßigte Linke (Dimar) fordert hingegen die vollständige Wiedereinsetzung von Personal und Programmen.
Die Niederlage der Regierung führt nun die kleinen Regierungspartner in Versuchung, Druck auf Samaras auszuüben, der sich in den letzten Monaten in seinen Entscheidungen immer seltener um die Einwände der Regierungspartner kümmerte. Die Nea Dimokratia von Samaras steht derzeit in Umfragen bei 21,4 Prozent, noch vor der radikalen Linksopposition von Alexis Tsipras (21,1%). Katastrophal hingegen sind die Werte von Pasok (6,4Prozent) und Dimar (3,9%). Kein Wunder, dass die Parteien immer häufiger in Versuchung geraten, sich von der Linie der Konservativen abzusetzen und Initiativen der großen Regierungspartei zu blockieren. Venizelos sprach von einem „neuen Funktionieren“ der Koalition und einer Neuformulierung des Koalitionspaktes, Fotis Kouvelis meinte, der Ministerpräsident dürfe nicht mehr „einseitig“ Entscheidungen fällen. Samaras ist in der Zwickmühle. Er muss den internationalen Gläubigern seinen Reformwillen unter anderem durch die Entlassung von 4000 Staatsbediensteten im Jahr 2013 unter Beweis stellen – ein Vorhaben, bei dem ihm die beiden Koalitionspartner wohl kaum noch unterstützen werden.
Die Risse in der ungleichen Regierungskoalition werden also immer deutlicher. Verfrüht dürften dennoch Botschaften von Oppositionschef Alexis Tsipras sein, der bereits vom „Ende der Regierung der Befehlsempfänger der Troika“ sprach. Weder Pasok noch Dimar können angesichts ihrer Umfragewerte Interesse an baldigen Neuwahlen haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2013)