Brustkrebs-Debatte: "Wir spüren den Hype massiv"

Gen-Brustkrebsrisiko:
Gen-Brustkrebsrisiko: "Wir spüren den Hype massiv"Reuters
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Nach Angelina Jolies öffentlicher Erklärung zu ihrer Brust-Amputation, läuft das Telefon der Genetischen Beratung bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs heiß.

Anfang Mai hat die US-Schauspielerin Angelina Jolie (37) ihre vorsorgliche Brust-Amputation mit anschließender Rekonstruktion öffentlich gemacht. Bei der österreichweiten Hotline der Genetischen Beratung bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs der Universitätsklinik für Frauenheilkunde im AKH Wien haben sich die Anfragen seither verfünffacht. Eine gerade erschienene Auswertung der Daten von 246 Patientinnen der Wiener Klinik zeigt, dass sich in Österreich von BRCA1- oder BRCA2-Genmutationen betroffene Frauen eher zu einer Entfernung der Eierstöcke als zu einer Entfernung des Brustgewebes entschließen.

Christian Singer, Leiter des Spezialistenteams an der Wiener Universitäts-Frauenklinik, das sich mit Brustgesundheit (Senologie) beschäftigt, und die Co-Autoren analysierten die Daten von 246 Frauen, bei denen solche Genmutationen zwischen 1995 und 2012 festgestellt worden waren. Die Frauen wurden im Durchschnitt 6,5 Jahre bezüglich ihrer Gesundheit weiterverfolgt, schrieben die Experten in ihrer Online-Publikation in "Clinical Genetics"

Entfernung der Eierstöcke ist weniger invasiv

Laut den Daten, votieren die meisten dieser Frauen für eine chirurgische Entfernung der Eierstöcke, nicht für eine Mastektomie. Die Autoren. "Von den 90 Frauen, die bei der Feststellung der Mutationen noch keine Krebserkrankung hatten, ließen 21,4 Prozent eine beidseitige präventive Mastektomie durchführen, 46,1 Prozent entschlossen sich zu einer vorbeugenden beidseitigen Entfernung der Eierstöcke. Eine Frau entschloss sich zur vorbeugenden Einnahme von Tamoxifen (Antiöstrogen, Anm.)."

Demnach standen die österreichischen Frauen mit genetischem Brust- und Eierstockkrebsrisiko vor dem Bekanntwerden des Eingriffs bei Angelina Jolie einer Entfernung des Brustgewebes eher skeptisch gegenüber. Singer: "Die Entfernung der Eierstöcke ist weniger invasiv. Für Eierstockkrebs gibt es keine guten Früherkennungsmaßnahmen. Bei Frauen über 40 Jahren, die sich zu diesem Eingriff entscheiden, ist die Familienplanung auch zumeist schon abgeschlossen. Die Entfernung der Eierstöcke reduziert aber auch das Brustkrebsrisiko um etwa die Hälfte. Schließlich glauben noch immer viele Frauen, sie wären nach einer präventiven Mastektomie entstellt." Letzteres trifft nicht zu, weil die Brust wieder sehr gut aufgebaut werden kann.

Immer mehr Anfragen

Die Situation kann sich aber im Gefolge des Medienrummels um Angelina Jolie ändern. "Wir spüren den Hype massiv", sagte der Gynäkologe bereits vor ein paar Tagen. Gab es früher zwei telefonische Anfragen pro Tag, seien es seit den Berichten über Jolies Entscheidung zehn täglich. Singer verwies darauf, dass sich Frauen auch an eines der österreichweit über 60 genetischen Beratungszentren wenden können. Diese sind online unter www.brustgenberatung.at aufgelistet. Betreuung und Behandlung sind kostenlos.

Jede dreihundert- bis fünfhundertste Österreicherin ist potenzielle Trägerin der Mutationen der Brustkrebs-Gene BRCA1 und BRCA2. Mutationen in den beiden Brustkrebsgenen bringen eine ausgesprochen hohe Gefährdung mit sich. Betroffene Frauen haben laut internationalen Studien ein 50-prozentiges Risiko, bis zum 50. Lebensjahr an Brustkrebs zu erkranken, Nicht-Trägerinnen solcher Mutationen eines von zwei Prozent. Bis zum 70. Lebensjahr erhöhen sich diese Prozentsätze auf ein Erkrankungsrisiko von 87 im Vergleich zu acht Prozent. Bei Eierstockkrebs sind es bis zum 70. Lebensjahr 44 Prozent (Mutationsträgerinnen) zu weniger als ein Prozent. Kommenden Mittwoch, 26. Juni, informiert die Österreichische Gesellschaft für Senologie zu diesem Thema in Wien bei einer Pressekonferenz.

(APA)

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