Bachmannpreis: Von blinden Babys und kalter Umgebung

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Bachmann-PreisAPA/GERT EGGENBERGER
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Hannah Dübgen konnte die Jury am letzten Tag des Wettlesens nicht überzeugen, Roman Ehrlich erntete dagegen auch Lob.

Mit der Erzählung "Schattenlider" hat am Samstag Hannah Dübgen den letzten Tag des Wettlesens um den Ingeborg-Bachmann-Preis im Klagenfurter ORF-Theater eröffnet. Sie konnte die Juroren nicht überzeugen.

Dübgen erzählt von einer Frau, die ein Kind bekommt, das blind ist. Das Baby ist nicht nur blind, es hat keine Augäpfel. Sie beschreibt den Schrecken der Eltern ob dieser Tatsache, den Versuch der Mutter, die Empfindungswelt ihrer blinden Tochter zu imaginieren. Auch die überraschten, oft peinlich berührten Reaktionen Dritter werden protokolliert, und über allem immer wieder die Frage nach der Schuld.

Hubert Winkels fand die Erzählung nicht wirklich überzeugend. Meike Feßmann fand den Text von hoher Sensibilität getragen, in formaler Hinsicht gebe es aber einige Schwächen. Hildegard Keller zeigte sich beeindruckt von der leisen, klugen Empathie der Autorin, mit der diese schwierige Situation beschrieben werde. Daniela Strigl meinte, Empathie sei "eine wichtige Zutat in der Literatur, genügt aber nicht". Sie bemängelte ein Zuviel an Pathos. Burkhard Spinnen sah einen Text, der es sich zur Aufgabe gemacht habe, "eine existenzielle Katastrophe zu heilen". Juri Steiner, der Dübgen eingeladen hatte, berichtete, dass sich der Text bei ihm "eingeschlichen" und ihn nicht mehr losgelassen habe.

Im Romanauszug "Das kalte Jahr" erzählte Roman Ehrlich anschließend von einem Mann, der mit einem jungen Burschen im Haus seiner Eltern lebt. Das Kind, wenn es denn ein Kind ist, hat offenbar gravierende Defizite, wie auch die Umgebung. Denn dort, wo sie leben, ist es immer kalt, immer Winter. Der Protagonist findet in seinem Heimatdorf Arbeit bei einem Fernsehtechniker, das ganze Setting ist seltsam archaisch, es gibt kaum Verbindung zur Außenwelt, die meisten Bewohner haben nicht einmal Fernsehempfang. Der Grund für diese seltsam abgeschlossene Existenz in apokalyptischer Umgebung bleibt unerklärt, eines der Hauptprobleme von Romanauszügen.

Feßmann meinte, die Zusammenhänge, die der Autor hier verknüpfe, seien ihr nicht klar. "Insgesamt kann ich nicht erkennen, worauf dieser Text hinauswill." Winkels sah ein "Stochern im Nebel", eine Suche nach Orientierung, der Text sei geschickt und klug gemacht und habe ihn überzeugt. Strigl sprach von einer "Art Eiszeit", in der sich irgendetwas zusammenbraue, das nichts Gutes verheiße. Keller gefielen die "verschiedenen Register" in der Machart des Textes. Ihr Problem sei, sie sehe zwar einzelne Brocken, aber nicht die "Umrisse des Romanbergs". Paul Jandl fand den Text "seines" Autors sehr spannend, es sei eine große Parabel. Spinnen kam das Personal "unheimlich bekannt" vor, und zwar vor allem aus Katastrophenfilmen und befand den Text für "niedlich".

Mit Benjamin Maack und Nikola Anne Mehlhorn bog der Wettbewerb anschließend in die Zielgerade.

(APA)

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