Der erstaunliche Erfolg von „Government Motors“

Government Motors
Government Motors(c) REUTERS (REBECCA COOK)
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Detroit mag pleite sein, aber die amerikanische Autoindustrie erholt sich nach der Krise wieder. Und setzt auf Exporte.

Wien. Die Erholung der US-Autoindustrie seit der Krise von 2008 als „beispiellose Erfolgsgeschichte“ zu beschreiben ist wohl verfrüht: Immerhin wäre von der einst so stolzen Industrie ohne ein 25-Milliarden-Dollar-Rettungspaket der Regierung heute nicht mehr viel übrig. Aber die Fakten lügen nicht: An dem Tag, an dem die einstige Autostadt Detroit in die offizielle Pleite schlittert, steht die Autoindustrie in Amerika wieder gut da. Sie hat sich gewandelt und gibt den neuen Weg vor: in Richtung der „Bescheideneren Staaten von Amerika“.

Dass Amerika, Autos, Asphalt und Abgase irgendwie zusammengehören, weiß jedes Kind. Der Höhepunkt der US-Liebe zur Benzinschleuder dürfte aber tatsächlich kurz vor der Krise erreicht worden sein. Damals produzierten die „großen Drei“ (Ford, General Motors und Chrysler) vor allem SUVs: große, unökonomische Spritfresser – die (wie im Land der multiplen Kreditkarten üblich) selbstverständlich meist auf Kredit gekauft wurden. SUVs versprachen herrliche Gewinn-Margen für die Hersteller von 15 bis 20 Prozent. Ein „normales“ Auto wirft nur rund drei Prozent ab.

Arbeiter sind billiger geworden

Aber diese Zeiten sind vorbei – Chrysler (das eigentlich ohnehin den Italienern von Fiat gehört) und General Motors nahmen das Regierungsgeld, bauten um und gingen: in den Export. Zwar herrscht auch bei Autos weiterhin ein Handelsdefizit, es werden also mehr Fahrzeuge importiert als exportiert – aber der Abstand wird geringer. Einem Auto-Handelsdefizit von rund 100 Milliarden Dollar stehen inzwischen Exporte von 50 Milliarden Dollar gegenüber. Laut „Wall Street Journal“ arbeiten (im übertragenen Sinn) inzwischen vier der 44 bestehenden großen Autofabriken in den USA nur für den Export. Insgesamt arbeiten rund drei Millionen Amerikaner in der Autoindustrie.

Dabei behilflich ist ausgerechnet der breite Wohlstandsverlust, den die Krise mit sich gebracht hat. Gewerkschaften und Arbeitnehmer sind heute flexibler. Und die USA können plötzlich mithalten mit den Lohnstückkosten anderer Länder. Tausende neue Fabriksarbeiter verdienen nur noch 14 Dollar pro Stunde – rund die Hälfte des üblichen Tarifs vor der Krise. Im Durchschnitt kostet ein US-Arbeiter rund 38 Dollar pro Stunde, ein deutscher 60 und ein japanischer 37 Dollar. Weil aber die Lohnkosten in Deutschland und Japan heute viel schneller wachsen als in den USA, steigen auch die in Amerika tätigen ausländischen Hersteller auf den Export um. Honda will schon ab 2014 mehr Fahrzeuge aus den USA exportieren, als man aus Japan importiert. Vergangenes Jahr gingen rund 90.000 Honda-Vehikel in den Export, erklärtes Ziel sind aber 200.000 pro Jahr. Toyota exportierte vergangenes Jahr 124.000 Autos und kleinere Trucks aus den USA in die Welt.

Die deutschen Luxusmarken fahren eine ähnliche Strategie: BMW exportierte laut WSJ vergangenes Jahr 70 Prozent der rund 300.000 im BMW-Werk South Carolina hergestellten Fahrzeuge. Bei Mercedes sieht es fast genauso aus: Von den rund 180.000 in Alabama hergestellten Daimler-Karossen gehen ebenfalls rund 70 Prozent ins Ausland.

Der schwache Dollar hilft sehr

Deutschland ist auch der größte Abnehmer für in den USA produzierte Autos, und ausgerechnet Saudiarabien (woher ein Großteil des „billigen“ US-Benzins in Form von Rohöl kommt) ist der zweitgrößte Abnehmer. Der größte Automarkt befindet sich jedoch längst in China. Die „großen Drei“ stehen in Sachen Export erst am Anfang: Als Pioniere der Globalisierung hatten Ford und Co. schon früh Fabriken in vielen Ländern – Exporte aus den USA waren daher nicht vorgesehen.

Inzwischen produziert zum Beispiel Chrysler in Illinois Jeeps mit Dieselmotoren – wie die Europäer sie mögen. Auch das ist eine Folge der Krise, die den Kapitalismus amerikanischer Prägung auf den Kopf gestellt – und aus General Motors im Volksmund „Government Motors“ gemacht hat. Ob aus dem Regierungs-Bailout wirklich noch eine „einzigartige Erfolgsgeschichte“ wird, werden die nächsten Jahre zeigen. Aber ein immer schwächerer US-Dollar (als Folge der ultralockeren Geldpolitik der Notenbank) hilft in jedem Fall. Und auch wenn die noch lockerere Geldpolitik der neuen japanischen Regierung die Autohersteller vor neue Herausforderungen stellt: Aktuell ist der Dollar gegenüber dem Yen immer noch um ein Sechstel schwächer als im Jahr 2007. Die „Bescheidenen Staaten von Amerika“ sind wieder wettbewerbsfähig. Zumindest derzeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2013)

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