Arbeitsmarkt

Für Niedrigverdiener ist der Anreiz höher, arbeitslos zu bleiben

310.600 Menschen in Österreich waren Ende Juli arbeitslos oder in einer AMS-Schulung. Sie dürfen bis zu 500,91 Euro im Monat dazuverdienen (Archivbild).
310.600 Menschen in Österreich waren Ende Juli arbeitslos oder in einer AMS-Schulung. Sie dürfen bis zu 500,91 Euro im Monat dazuverdienen (Archivbild). Hannes P Albert
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Der geringfügige Zuverdienst zum Arbeitslosengeld ist vor allem für Menschen mit geringen Einkommen ein Anreiz, in der Arbeitslosigkeit zu verharren, legen Berechnungen nahe.

Wien. Noch ein Jahr dauert die reguläre Legislaturperiode der türkis-grünen Koalition. Eines ihrer großen Vorhaben, die Arbeitsmarktreform, ist gescheitert. Ein Kernpunkt war die Einschränkung des geringfügigen Zuverdiensts. Das hatte die ÖVP gefordert, die Grünen waren dagegen. Arbeitslose dürfen in Österreich bis zu 500,91 Euro im Monat dazuverdienen, ohne einen Euro des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe zu verlieren. Wer geringfügig arbeitet, zahlt keine Lohnsteuer und keine Kranken- und Pensionsversicherungsabgaben. Man ist lediglich unfallversichert.

310.600 Menschen in Österreich waren Ende Juli arbeitslos oder in einer AMS-Schulung. Etwa zehn Prozent der AMS-Kunden beziehen ein geringfügiges Einkommen. Arbeitsminister Martin Kocher sieht das als Anreiz, in der Arbeitslosigkeit zu verharren, statt einen voll versicherten Job anzunehmen. AMS-Vorstand Johannes Kopf nannte das in der Vergangenheit „Inaktivitätsfalle“.

„Mit dem aktuellen Modell gibt es einen Anreiz, die Arbeitslosigkeit nicht vollständig zu verlassen“, sagt auch Dénes Kucsera, Ökonom der Agenda Austria. Er hat für die „Presse“ durchgerechnet, wie viel jemand in einem versicherungspflichtigen Job verdienen muss, ­damit es sich auszahlt, die Arbeitslosigkeit zu beenden. Kucsera hat zunächst eine Person analysiert, die vor und nach der Arbeitslosigkeit auf ein monatliches Bruttoeinkommen von 3000  Euro kommt (Single-Haushalt ohne Kind). Bezieht sie Arbeitslosengeld und zusätzlich ein geringfügiges Einkommen im Ausmaß von sechs Wochenstunden, kommt sie auf ein jährliches Nettoeinkommen von 22.955 Euro. Sobald die Person sieben Wochenstunden neben dem Arbeitslosengeld arbeiten würde, würde sie auf einen Schlag ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld komplett verlieren.

Erst für einen Job ab einem Ausmaß von 29 Wochenstunden lohnt es sich für diese Person, einen vollversicherten Job anzunehmen. Darunter ist es lukrativer, Arbeitslosengeld zu beziehen und zusätzlich geringfügig zu arbeiten.

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