Kurswechsel. Erklärtes Ziel der Grünen ist eine Regierungsbeteiligung. Eva Glawischnig baut dabei nicht nur auf den Kampf gegen Korruption.
Wien. Recht vorsichtiges Schielen auf eine Regierungsbeteiligung war einmal: Seit die Grünen nach den Landtagswahlen in Salzburg, Tirol und Kärnten in ganz unterschiedlichen Parteikonstellationen den Sprung in die Landesregierungen geschafft haben, gibt es kein Halten mehr. Die grüne Parteichefin Eva Glawischnig macht kein Hehl daraus, dass sie nach dem 29.September in die Bundesregierung und dort am liebsten Umweltministerin werden will.
Erklärtes Wahlziel der Grünen ist es, dass SPÖ und ÖVP künftig auch zusammen keine Mehrheit mehr im Nationalrat haben. Und dann auf eine dritte Partei angewiesen sind – wie in der abgelaufenen Legislaturperiode seit 2008 bereits auf die Grünen etwa bei EU-Materien.
Die Strategen um Parteichefin Glawischnig, allen voran Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner, setzen dabei auf ein Thema, mit dem die Grünen nach vielen Dämpfern zuletzt schon in den heurigen Landtagswahlkämpfen gut gefahren sind: auf den Kampf gegen Korruption und mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung. All das wird kombiniert damit, selbst eine völlige saubere Weste zu haben. Damit möchte die Ökopartei nicht nur verärgerte Sympathisanten der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP gewinnen.
Sie versuchen sich damit von anderen Oppositionsparteien wie FPÖ und BZÖ abzugrenzen, die sich zuletzt etwa mit den Auswirkungen der Telekom-Prozesse um Parteienfinanzierung herumschlagen mussten. Allerdings dürfte sich die Gruppe jener, die tatsächlich direkt von Blau und Orange zu den Grünen wechseln, in Grenzen halten, zumal deren Positionen gerade in der Ausländer- und Asylpolitik genau gegenteilig zu jenen der Grünen sind. Jedenfalls soll mit der strikten Antikorruptionslinie bei dieser Wahl zumindest jener Anteil an reinen Protestwählern vor allem von der FPÖ weggelockt werden, der den Freiheitlichen 2008 locker den dritten Platz gebracht hat.
Sonst tritt Glawischnigs Partei diesmal verstärkt mit „weichen“ Themen an: etwa Sicherung gesunder Lebensmittel, Ausnützung des Fahrrads als alternatives Verkehrsmittel sowie preisgünstige öffentliche Verkehrsmittel. Damit sollen wie schon in Wien und in den Landeshauptstädten wie Innsbruck vor allem jüngere Wähler, aber auch Familien in den Speckgürteln um die Ballungszentren besonders angesprochen werden. Mittlerweile werden dabei auch einstmals abschreckende Forderungen zur Eindämmung des Autoverkehrs wie eine Verteuerung von Diesel nicht mehr gescheut.
Mit Forderungen nach mehr Geld für die Universitäten und einer „Revolution“ des Bildungssystems steuern die Grünen ebenso wie mit jener nach Vermögensteuern auf einer Linie mit der SPÖ. Dem linken Flügel der Sozialdemokraten, aber noch mehr der ÖVP-Wählerschicht mit christlich-sozialen Werthaltungen machen sie mit dem Eintreten für eine „humanere“ Asylpolitik und liberale Lösungen für die Zuwanderung von Ausländern nach Österreich Konkurrenz. Bei spröderen – und auch unpopulären – Themen wie der künftigen Sanierung der Staatsfinanzen wird hingegen Zurückhaltung geübt.
Eva Glawischnig, die bei dieser Nationalratswahl erstmals Spitzenkandidatin ihrer Partei ist, wurde schon im Frühsommer auf Bundesländertour geschickt. Auch dabei war sie mit „Soft“- und „Wohlfühl“-Themen wie gesundem Essen präsent. Anders als in der Vergangenheit wird der grüne Wahlkampf in der „heißen Phase“ voll auf die Spitzenkandidatin zugeschnitten sein.
Nieder- und Oberösterreich im Visier
Was die regionalen Schwerpunkte betrifft, so wird der Wahleinsatz bis Ende September besonders auf die beiden bevölkerungsstarken Bundesländer Nieder- und Oberösterreich konzentriert werden. Das stößt nicht überall auf Wohlgefallen: Denn in Ländern, in denen die Grünen mitregieren, wie etwa auch in Wien, hätte man sich eine noch stärkere Einbindung in die Bundeswahlwerbung gewünscht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2013)