Theater

Rosenkavalier auf Augenhöhe

Bettina Schimak (Zweite von links) bei den Proben zum „Rosenkavalier“ in Rodaun.
Bettina Schimak (Zweite von links) bei den Proben zum „Rosenkavalier“ in Rodaun.Caio Kauffmann
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Der Rodauner Theatersommer bringt das umgeschriebene Libretto von Richard Strauss’ „Rosenkavalier“ als Bühnenstück. Für Aufregung ist gesorgt. 

Ein Interviewpartner, der ihr bei einer Autofahrt ans Knie gegriffen und über die Wange gestrichen hat. Ein Cutter, der es nicht lassen konnte, „anlassig“ zu sein. Situationen, in denen Bettina Schimak zu Beginn ihrer Karriere steckte und nicht wusste, wie ihr geschah.

Die gelernte Journalistin und Filmemacherin ließ sich für die Neuinszenierung des „Rosenkavaliers“ von diesen eigenen Erfahrungen während ihrer Karriere inspirieren. „Die sind nun in den Text miteingeflossen“, sagt sie. Die Folge: Es geht um zeitlose Themen wie Mut und Selbstermächtigung, um die Gelassenheit des Alters und die Hitzigkeit der Jugend, aber auch um Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffigkeit.

„Viele Leute werden uns dafür nicht lieb haben“, sagt Schimak, die als Co-Regisseurin von Marcus Marschalek nun das Libretto des „Rosenkavaliers“ auf die Bühne des Rodauner Theatersommers 2023 bringt. Bei den bisherigen Aufführungen dieser meist gespielten Oper von Richard Strauss blieben sowohl die Musik als auch der Text ­Hugo von Hofmannsthals meist unangetastet. Was sich nun gründlich ändert. Die Handlung spielt diesmal in der Gegenwart, untermalt von Melodien, die nach Strauss klingen, die aber der Film-, TV- und Web-Komponist Ulrich Dallinger umkomponiert hat.

Vor allem aus inhaltlichen Gründen wird das vor der Rodauner Bergkirche aufgeführte Stück nach Meinung Schimaks polarisieren. „Wir haben den Text unvoreingenommen gelesen, uns ihm angenähert, hineingespürt und waren überrascht, wie unverblümt und grob hier mit Frauen umgegangen wird“, sagt sie, „deshalb war es uns ein Anliegen, ihn in die Jetztzeit zu holen.“

Wo sind die Grenzen?

Im Mittelpunkt der Aufführung steht die junge Schauspielerin Sophie, die sich während einer Filmproduktion im wahrsten Sinne des Wortes aus ihrem Korsett befreit und lernt, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Ganz wie einst Schimak ist sie anfangs noch unsicher, wie sie sich in einem toxischen Arbeitsverhältnis ihrem autoritären Regisseur gegenüber verhalten kann oder soll.

„Die Charaktere ähneln jenen des originalen ,Rosenkavaliers‘“, erklärt Schimak, „aber wir stellen auch, und das ist mir sehr wichtig, die #MeToo-Fragen: Wo sind die Grenzen im Umgang miteinander?“ Dass das Stück an diese Grenzen geht, ist von Schimak und Marschalek, der auch Intendant des Rodauner Theatersommers ist, gewollt. So etwa entfährt Sophies Antagonistem, jenem dominanten Regisseur, das Wort „Fotze“, als ihm eine Situation zu entgleiten droht.

Schimak, die jahrelang Dokumentarfilme in Asien, Afrika und Europa gedreht hat, bedient sich damit bewusst eines Wortes, das für sie „das Schlimmste ist, das ein Mann zu einer Frau sagen kann“. Auch im Rodauner Theaterteam entfaltete es seine polarisierende Wirkung. Ein Co-Autor, für den es nicht infrage kam, zog sich verärgert zurück. „Der Konflikt konnte am Ende nicht aufgelöst werden“, erzählt die Co-Regisseurin.

Eine Verarbeitung ihres persönlichen Schicksals oder gar ein Outing ist die Inszenierung für Schimak trotzdem nicht. Erfahrungen wie sie selbst in der Vergangenheit hätten viele Frauen gemacht, betont sie und fügt hinzu: „Da gibt es noch viel ärgere Dinge.“ Dass sie in ihrem Schaffen gegen diese Dinge antritt, ist für sie seit Langem selbstverständlich. Während ihrer Studienzeit war die heute 56-Jährige Teil der damals noch umstrittenen „Gruppe für feministische Theologie“. Heute versucht sie, „auf einer verdichteten künstlerischen Eben etwas auszudrücken, was jeden von uns betrifft“.

Strauss und Hofmannsthal

Eine in Briefform überlieferte Konversation zwischen Strauss und Hofmannsthal gelangt in der Rodauner Version des „Rosenkavaliers“ ebenfalls auf die Bühne. Der ausgiebige Schriftverkehr zeigt, wie sehr die beiden darum ringen, die Figuren richtig zu charakterisieren. Das Publikum erlebt mit, wie das Stück im intensiven Dialog der beiden Künstler miteinander allmählich Gestalt annimmt.

Dass die Wahl des Intendanten ausgerechnet auf den „Rosenkavalier“ fiel, hatte auch damit zu tun, dass Hugo von Hofmannsthal selbst in Rodaun lebte, und mit Schimaks Ehrfurcht vor seinem Genie und seinem Umgang mit Sprache. „Auch seine Gedanken zu Tod und Gerechtigkeit sind für mich bewegend, und das schätze ich sehr“, sagt sie.

Ob es ein Happy End gibt, so viel sei verraten, bleibt offen. Nur eines steht fest: Der Regisseur, im Original ein einflussreicher Baron, gewinnt nicht.

Auf einen Blick

„Der Rosenkavalier“ wird ab 7. September an vier aufeinanderfolgenden Abenden jeweils um 19.30 Uhr aufgeführt. Die Vorstellungen finden bei Schönwetter vor der Bergkirche in Rodaun statt. Bei Schlechtwetter wird in das Kulturzentrum Perchtoldsdorf gewechselt. Der Preis pro Karte beträgt 26€ (www.rosenkavalier.at). Im Anschluss an die „Rosenkavalier“-Aufführungen folgt als zweites Theaterstück Shakespeares „Sommernachtstraum“.

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