Missbrauch

Teichtmeister-Urteil: Expertinnen sind gegen Strafverschärfungen

Der Angeklagte ehemalige Burgschauspieler Florian Teichtmeister auf einem Bildschirm sowie sein Anwalt Rudolf Mayer (l.) vor Verhandlungsbeginn im Prozess wegen des Besitzes zehntausender Dateien mit Darstellungen von Kindesmissbrauch am Dienstag, 5. September 2023, am Straflandesgericht Wien.
Der Angeklagte ehemalige Burgschauspieler Florian Teichtmeister auf einem Bildschirm sowie sein Anwalt Rudolf Mayer (l.) vor Verhandlungsbeginn im Prozess wegen des Besitzes zehntausender Dateien mit Darstellungen von Kindesmissbrauch am Dienstag, 5. September 2023, am Straflandesgericht Wien.APA / Roland Schlager
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„Höhere Strafen bringen nichts“, stellte die Wiener Strafrechtsprofessorin Katharina Beclin am Mittwoch unter Verweis auf kriminologische Studien fest. „Diese Menschen sind triebgesteuert“, betonte die Expertin. Sie seien daher kaum auf einer rationalen Ebene zu erreichen.

Die nicht rechtskräftige Verurteilung des früheren Burgschauspielers Florian Teichtmeister, der sich 76.000 Dateien mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen verschafft hatte, zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie einer bedingt nachgesehenen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum, hat erneut eine Diskussion um die Strafen für Sexualstraftäter entfacht. Namhafte Expertinnen sehen in einer Anhebung der Strafen keinen Sinn.

„Höhere Strafen bringen nichts“, stellte die Wiener Strafrechtsprofessorin Katharina Beclin am Mittwoch unter Verweis auf kriminologische Studien fest. Das gelte im Speziellen bei Straftaten, hinter denen ein Suchtverhalten steht, wie es bei Konsumenten von Drogen oder Missbrauchsdarstellungen von Kindern der Fall sei. „Diese Menschen sind triebgesteuert“, betonte die Expertin. Sie seien daher kaum auf einer rationalen Ebene zu erreichen. Wichtiger wären vielmehr „bewusstseinsbildende Maßnahmen“, die dazu beitragen, „dass Täter überführt und verurteilt werden können“.

Es gehe jetzt auch darum, den Diskurs um Strafen für Sexualvergehen oder -verbrechen nicht weiter zu emotionalisieren. Teichtmeister habe keine einzige Gewalthandlung vorgenommen, sondern sich das, was andere produziert haben, beschafft und gesammelt, betonte Beclin in diesem Zusammenhang. Primäres Ziel müsse es sein, die Hersteller und Vertreiber von Missbrauchsmaterial „zu erwischen“.

„Es ist zwischen Hands On- und Hands Off-Delikten zu unterscheiden“, meinte Ingeborg Zerbes, Professorin für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien. Sehr hohe Strafen für Täter, die sich nicht direkt an Kindern vergreifen, wären „vergleichsweise unverhältnismäßig“, wenn man sie in Bezug zu unmittelbarem Kindesmissbrauch setzt, hielt Zerbes fest. Forderungen nach höheren Strafen „bewirken nur eine Scheinprävention“, sagte die Expertin, die sich dagegen ausspricht, allein aufgrund des Falls Teichtmeister die Gesetze zu ändern. „Anlassgesetzgebung lässt Sachlichkeit und kriminalpolitisches Augenmaß vermissen“, warnte Zerbes.

Karner erwartet sich Strafverschärfung

„Änderungen im Strafrecht können ein Baustein zum Schutz unserer Kinder sein, allerdings braucht es mehr“, hieß es am Mittwoch aus dem Justizministerium. Denn klar sei, „dass die Justiz erst zum Zug kommt, wenn bereits ein Kind Opfer einer Straftat geworden ist. Daher ist es entscheidend, die erste Säule - Prävention im Sinne des Kinderschutzes - dringend auszubauen, um so bestmöglich zu verhindern, dass es überhaupt zu Straftaten kommt“. Kinderschutzkonzepten komme daher eine entscheidende Rolle zu.

Bei der ÖVP löste das Teichtmeister-Urteil - bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren liegen zwei Jahre im oberen Drittel, dass bei einem umfassend geständigen Ersttäter eine bedingte Strafnachsicht gewährt wird, ist gelebte gerichtliche Praxis - scharfe Reaktionen aus. Es müsse möglich sein, das Urteil zu kritisieren, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Rahmen einer Pressekonferenz nach dem Ministerrat. Als Familienvater und Staatsbürger verstehe er das Urteil persönlich nicht, das „abscheuliche Verbrechen“ Teichtmeisters verurteilte er mehrmals. Gleichzeitig verurteilte Karner jedoch auch Aufrufe zur Lynchjustiz - am vergangenen Wochenende hatten etwa im Geburtsort der Mutter Teichtmeisters vorgebliche Kinderschützer demonstriert, die großteils der rechten Szene zuzurechnen waren und auch einen Galgen mitführten. Letzterer war auch am Tag der Verhandlung bei einer Demo vor dem Wiener Landesgericht zu sehen.

Karner erwartet, dass „wir bald zu einer entsprechenden Strafverschärfung in diesem Bereich kommen.“ Auf eine solche hat sich die Regierung bereits im Jänner im Ministerrat geeinigt. Nachschärfen werde man bei Prävention, Opferschutz und Strafrecht, fügte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hinzu.

„Bei vielen Menschen stößt dieses Urteil vor allem deshalb auf Unverständnis, weil Teichtmeister trotz dieser massiven Deliktsverwirklichung nicht einen Tag Haft verbüßen muss“, meinte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker in einer Stellungnahme. Das sei „ein fatales Signal sowohl an Täter als auch an die Opfer. Es ist schwer zu erklären, dass bei Sexualdelikten gegen Kinder der Täter ohne Haftstrafe davonkommt. Das vermittelt den Opfern den Eindruck, dass derartige Straftaten nicht ausreichend bestraft werden“. Umso wichtiger sei es, „dass der seit Monaten bei Justizministerin Alma Zadić liegende Entwurf zur Gesetzesverschärfung bei Darstellung von Kindesmissbrauch endlich umgesetzt wird.“

„Dürfen nicht zulassen, dass Kinder zu Opfern werden“

„Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder zu Opfern werden“, bekräftigte das Justizministerium. Deshalb habe die Bundesregierung ein umfassendes Paket erarbeitet, um für den größtmöglichen Schutz von Kindern zu sorgen. Dieses fuße auf drei Säulen: zielgerichteter Prävention, besserer Opferschutz und schärferen Strafen. „Im Bereich des Strafgesetzbuchs liegt ein begutachteter Entwurf vor, der vorsieht, dass die Strafen angehoben werden sollen, um den gesellschaftlichen Unrechtsgehalt der Taten widerzuspiegeln. Außerdem wird die Möglichkeit für Tätigkeitsverbote für verurteilte Täter ausgeweitet, damit diese in Zukunft nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten dürfen. Dieser Entwurf wird im ersten Justizausschuss nach der Sommerpause mit den Stimmen der Koalitionsparteien beschlossen“, kündigte das Justizministerium an.

Auch andere Ressorts hätten erst unlängst Kinderschutzmaßnahmen umgesetzt, verwies das Justizministerium auf das Bildungsministerium und das Jugendstaatssekretariat, wo eine Zertifizierungsstelle eingerichtet wurde, die die Qualität von Kinderschutzkonzepten sicherstellt und bescheinigt. Im Bildungsministerium wiederum wurde beschlossen, verpflichtende Kinderschutzkonzepte in allen österreichischen Schulen einzuführen.

Zu Wort meldete sich am Mittwoch auch die FPÖ. Die freiheitliche Abgeordnete Susanne Fürst hielt in einer Pressekonferenz fest, dass sie mit dem Urteil „nicht glücklich“ sei. Die Strafe sei bedingt ausgesprochen worden. „Das führt natürlich dazu, dass er (Teichtmeister, Anm.) das Gericht verlassen hat und keinen einzigen Tag im Gefängnis verbracht hat.“ Der generalpräventive Aspekt komme dadurch zu kurz. Es handle sich um eine „Einladung“ für potenzielle Täter. Sie bekräftigte zudem die blaue Forderung nach eier Anhebung der Mindeststrafe.

Parteichef Herbert Kickl legte am Abend auf Facebook nach: „Wenn die Bevölkerung Urteile nicht mehr versteht, dann ist das nicht das Problem der Bevölkerung, sondern das Problem des jeweiligen Justizsystems“, schrieb er. Der „Fall T.“ sei wieder ein solches Beispiel. „Dass es hier keinen Freiheitsentzug gibt, ist für ganz viele nicht nachvollziehbar. Vielleicht deshalb, weil sie die Opfer und ihr Leid nicht einfach zur Seite schieben?“ (APA)

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