Der „diplomatische Scheich“ aus Teheran

Hassan Rohani
Hassan Rohani (c) Reuters (FARS NEWS)
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Irans Präsident Hassan Rohani hat seit seinem Amtsantritt im August eine „Charmeoffensive“ losgetreten. Vor der UNO wollte der 64-jährige Geistliche, dass „wahre Gesicht“ seines Landes zeigen.

Am späten Dienstagabend hatte Hassan Rohani nach wochenlanger PR-Großoffensive sein Debüt auf der Weltbühne der UNO in New York – wenige Stunden nach Barack Obama und laut Rednerliste eine knappe Stunde nach Heinz Fischer. Vor seinem Abflug aus Teheran hatte der moderate Mullah die Erwartungen an seinen Auftritt weiter geschürt.

Er werde das „wahre Gesicht des Iran“ präsentieren, sagte Rohani in einem Interview, er werde der Stimme des „unterdrückten iranischen Volks“ Ausdruck verleihen. Das war als scharfe Kritik an seinem Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad zu verstehen, der mit seinen Hasstiraden gegen die USA und Israel alljährlich für einen Affront in der UNO gesorgt hatte. Westliche Diplomaten suchten dabei demonstrativ das Weite.

Rohani war in New York neben obligaten TV-Interviews zudem für einen Auftritt vor dem Council on Foreign Relations gebucht, der ersten Adresse für eine außenpolitische Debatte in den USA. Ein Interview im TV-Network NBC, in dem er der Atombombe abschwor, und ein Gastkommentar in der „Washington Post“ orchestrierten die neuen Töne aus Teheran.

Was hatte der neue Präsident seit seinem Amtsantritt im August nicht alles versprochen: Rohani machte sich für eine Annäherung des Mullah-Regimes mit Washington stark und trat sogar in einen Briefwechsel mit Obama; via Twitter sandte er Neujahrswünsche zum jüdischen Rosh-Hashana-Fest; in der Syrien-Krise geriert er sich als Friedensstifter, und im Atomkonflikt forciert er mit seinem Außenminister Zarif eine Verhandlungslösung. Angeblich plädiert er sogar für eine Schließung der unterirdischen Atomanlage Fordo.

Zuletzt ließ er als Goodwill-Geste Dutzende politische Gefangene frei, zugleich wies er die Revolutionsgarden in ihre Schranken. Selbst die Zensur machte kurzzeitig Pause. „Sie produzieren Neuigkeiten so rasch, dass die Neinsager nicht nachkommen“, kommentierte der Iran-Experte Gary Sick. Für Israels Premier Benjamin Netanjahu bleibt der Theologe, der in Glasgow studiert hat, indes ein „Wolf im Schafspelz“.

Er gilt als klug und listig, als ein Mann des Ausgleichs und der geschliffenen Umgangsformen. Einen „diplomatischen Scheich“ nennen ihn schmunzelnd Freunde und Kritiker. In dem wirren Machtgefüge hat Hassan Rohani stets seinen Platz im politischen Establishment behauptet. Er ist kein Liberaler oder engagierter Reformer, seine Freundschaft mit dem obersten Revolutionsführer Ali Khamenei reicht vier Jahrzehnte zurück.

Schah-Gegner

Von Anfang an war er ein überzeugter, wiewohl geschmeidiger Anhänger der Islamischen Republik. Er weiß, dass sein Land stärker als bisher die Interessen seiner Nachbarn und Gegner berücksichtigen muss, will es nicht noch tiefer in die internationale Isolation geraten. Ein paar mutige Sätze ließen ihm die Herzen der zermürbten Iraner zufliegen. Es gebe eine „erdrückende Sicherheitsatmosphäre“ im Land, seinen Wählern versprach er eine „Charta der Freiheitsrechte“.

Rohani entstammt einer Familie von Basarhändlern und Geistlichen. Schon als 13-Jähriger ging er ins Theologenseminar nach Qom und machte sich als Heranwachsender einen Namen als politischer Gegner von Schah Reza Pahlevi. „Wir Studenten waren bereit zu sterben, ins Gefängnis zu gehen oder gefoltert zu werden.“

Mit der Islamischen Revolution von Ayatollah Khomeini, den er in dessen Exil in Paris kennengelernt hatte, kehrte Rohani in seine Heimat zurück. Von 1980 bis 2000 gehörte er fünf Legislaturperioden lang dem iranischen Parlament an, unter anderen als stellvertretender Sprecher. Von 1989 bis 2005 agierte er als Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats.

2003 ernannte ihn Präsident Mohammed Khatami zum Chefunterhändler mit der internationalen Atomenergiebehörde. Unter Rohanis Regie erklärte sich der Iran damals bereit, die geheime Urananreicherung zu stoppen. Von Ahmadinejads aggressivem Atomkurs distanzierte sich Rohani früh. 2005 trat er von der internationalen Bühne ab, um heuer wiederzukehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2013)

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