EU-Bürger schneiden beim Lesen und Rechnen insgesamt suboptimal ab.
Brüssel. Ángel Gurría war nicht um Worte verlegen, als er am Dienstag die Bedeutung des ersten internationalen Vergleichs der Kompetenzen von Erwachsenen unterstrich: „Was wir hier haben, ist eine Goldgrube“, sagte der Generalsekretär der OECD bei der Präsentation der Studie in Brüssel. Das „Programme for the International Assessment of Adult Competencies“ (PIAAC) vergleicht die verbalen, mathematischen und digitalen Fähigkeiten in 24 Ländern – 17 EU-Mitglieder sowie die USA, Kanada, Australien, Norwegen, Russland, Japan und Südkorea. Der Rest der EU soll 2014 und 2015 bei den nächsten zwei PIAAC-Runden dabei sein.
Die unerfreuliche Haupterkenntnis: Was die Arbeit mit Texten und Zahlen anbelangt, schneidet Europa dürftig ab: Während jeder fünfte EU-Bürger über unzureichende verbale Fähigkeiten verfügt (d.h., er erreicht auf der fünfstufigen Kompetenzskala maximal die Stufe eins), sind es im OECD-Durchschnitt lediglich 16,7 Prozent. Eine ähnlich große Lücke (24 zu 19 Prozent) klafft auch bei den mathematischen Kompetenzen. Dass der OECD-Durchschnittswert besser ist, liegt allerdings hauptsächlich an den besonders guten Ergebnissen in Japan und Norwegen. Beide Länder haben auch den höchsten Anteil an mathematischen und verbalen Bestleistungen (Stufe vier, fünf).
Erkenntnis Nummer zwei ist wenig überraschend: Je mehr Bildung, desto besser. Nach OECD-Berechnungen lassen sich sieben Jahre Schule bzw. Universität mit der Verbesserung um eine Kompetenzstufe gleichsetzen. Wobei es offenbar auch auf die Qualität ankommt: So schnitten finnische Maturanten beim Lesen und Schreiben ähnlich gut ab wie Jungakademiker in Großbritannien, Italien oder Spanien.
Das führt geradewegs zum nächsten Resultat: Auch innerhalb der EU gibt es signifikante Unterschiede. Den größten Anteil an suboptimalen Testergebnissen bei verbalen und mathematischen Kompetenzen gab es in Italien und Spanien, während Finnland, Tschechien, Slowakei und die Niederlande besonders gut abgeschnitten haben. Überspitzt formuliert ähnelt der durchschnittliche finnische Arbeitnehmer mehr einem Japaner als einem Südeuropäer.
Einen überraschenden Befund gab es auch für Großbritannien und die USA: In beiden Ländern schneiden die 16- bis 25-Jährigen deutlich schlechter ab als die Generation ihrer Großeltern, was verbale Kompetenzen anbelangt. Genau umgekehrt ist die Situation in Südkorea, wo die 55- bis 65-Jährigen besonders niedrige Kompetenzwerte aufweisen. Auch in Österreich liegen die Jungen vorn (siehe Seite 1). (la)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2013)