Die Republikaner: Eine Partei schafft sich selbst ab

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Der einst staatstragenden Partei von Reagan und Bush blüht lange Machtlosigkeit. Die Zustimmung zu den Demokraten ist fast unverändert.

Fanatismus, hat der spanisch-amerikanische Philosoph George Santayana geschrieben, ist, wenn man die Anstrengungen verdoppelt, sobald man das Ziel vergessen hat. Insofern kann man die Tea-Party-Republikaner im Abgeordnetenhaus des US-Kongresses als Fanatiker bezeichnen. Sie haben ihr Land an den Rand des Staatsbankrotts geführt, das Ziel ihrer zweiwöchigen Regierungsblockade aber klar verfehlt. Obamacare, die neue Krankenversicherung, ist weiterhin gültig. Trotzdem scheinen sie ihren Einsatz verdoppeln zu wollen.

„Obamacare die finanziellen Mittel zu entziehen, ist richtig. Wir sind erst bei der Halbzeit“, sagte der Texaner Joe Barton am Mittwochabend, nachdem Senat und Abgeordnetenhaus mit klaren Mehrheiten von 81:18 und 285:144 die Finanzierung der US-Regierung bis 15. Jänner und die Aufnahme neuer Staatsschulden bis 7. Februar abgesegnet hatten. Sein Landsmann Ted Cruz zog im Senat im Stil eines Fernsehpredigers vom Leder: „Ich bin stolz auf die Millionen von Amerikanern, die sich aufgelehnt haben. Ich hoffe, dass der Senat im Lauf der Zeit beginnen wird, auf das Volk zu hören.“

Tea Party ist unten durch

Ob das Volk allerdings umgekehrt auf die Republikaner hören will, ist zweifelhaft. Die Farce um Shutdown und Schuldengrenze hat die republikanische Partei so unbeliebt gemacht wie nie zuvor. Laut Gallup haben nur mehr 28 Prozent der Amerikaner eine positive Meinung von der einst staatstragenden Partei eines Ronald Reagan oder George H. W. Bush. Die Zustimmung zu den Demokraten ist mit 43 Prozent fast unverändert.

Und auch die Tea Party ist beim Volk so unbeliebt wie nie zuvor. Laut Umfrage des Pew Research Center haben 30 Prozent eine positive Meinung von ihr, 49 Prozent hingegen eine schlechte. Was vor rund fünf Jahren als volksnahe Auflehnung gegen eine abgehobene Elite in Washington begonnen hat, wird von Tag zu Tag mehr zur Randerscheinung in Amerikas Gesellschaft.

Das ist für die republikanische Partei ein existenzielles Problem. In der Hoffnung, das Weiße Haus und den Kongress zurückzugewinnen, haben sich Amerikas Konservative an eine Bewegung gekettet, deren doktrinäre Unnachgiebigkeit nicht nur darin versagt, unabhängige Wähler in der Mitte der Gesellschaft zu überzeugen, sondern zusehends die eigenen Parteigänger verschreckt.

Der elitäre Anti-Elitäre

Niemand verkörpert dieses Dilemma der Republikaner klarer als Ted Cruz. Der 42-jährige in Kanada geborene Sohn eines kubanischen Exilanten ist der große Star der Tea Party. Hinter seinen salbungsvollen und bewusst simpel gestrickten Tiraden gegen Washington und das Establishment verbirgt sich ein sehr intelligenter Demagoge. Kaum merkt man es dem Senator an, dass er an den Eliteuniversitäten in Princeton und Harvard studiert hat und mit einer Managerin der Investmentbank Goldman Sachs verheiratet ist. „Er war einer meiner scharfsinnigsten Studenten“, sagte sein früherer Professor Alan Dershowitz neulich auf CNN – um darauf gleich nachzusetzen: „Ich denke, dass man stark dafür argumentieren kann, dass das, was Ted Cruz macht, zutiefst verfassungswidrig ist.“ Die Gründerväter der amerikanischen Republik, auf die sich Cruz und die Tea Party so gern berufen, hätten „nicht in einer Million Jahre eine Zuständigkeit des Kongresses in Betracht gezogen, die Regierung zuzusperren“.

In der eigenen Partei wird Cruz rasant unbeliebt. Seit Juli, als der Budgetstreit zu eskalieren begann, ist seine Beliebtheit bei Tea-Party-Anhängern zwar von 47 auf 74 Prozent hochgeschnellt. Hingegen lehnen ihn heute 31 Prozent der herkömmlichen Republikaner ohne Tea-Party-Neigung ab: doppelt so viele wie vor drei Monaten.

Die Partei der alten Weißen

Heute gibt es, anders als im Juli, keine einzige Bevölkerungsschicht mehr, in der mehr Leute eine positive Meinung von der Tea Party haben als eine negative. Das schließt auch die beiden Gruppen ein, aus denen die Tea Party den größten Zuspruch erhält: über 65-jährige und Männer ohne akademischen Bildungsabschluss. Und während immer mehr Amerikaner in die Städte ziehen und die Bevölkerung sich ethnisch durchmischt, werden die Republikaner zur Partei der alten, weißen Landbewohner.

Damit werden sie zwar weiterhin in den konservativen südlichen Bundesstaaten Gouverneure stellen. Auch das Abgeordnetenhaus dürfte nach der Zwischenwahl im November 2014 in ihrer Hand bleiben: Dort sind die Wahlkreise in zwei Dutzend Staaten so gezogen, dass der Amtsinhaber fast immer gewinnt. Rund 80 Prozent der Republikaner im „House“ kommen aus Wahlkreisen, in denen der bundesweit klar unterlegene Präsidentschaftskandidat Mitt Romney im vorigen Jahr mehr als 55 Prozent der Stimmen bekommen hat.

Für eine so eng ausgerichtete Partei ist jedoch kaum das Weiße Haus zurückzugewinnen noch der Senat, dessen Mitglieder in bundesstaatenweiten Wahlen antreten und eine vielschichtige Wählerschaft überzeugen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2013)

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